Malory
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Nur ein Stückchen, denn die zwei hatten ihr befohlen zu warten und ein »sonst!« als Warnung hinzugefügt. Georgina wollte die beiden natürlich nicht verärgern, nachdem sie sich so spontan bereit erklärt hatten, ihr zu helfen. Doch sie hatte nicht an ihre Hände gedacht, die sich kaum mehr an dem dicken Seil halten konnten. Und bevor sie sich ins Wasser fallen lassen wollte, wo es ihrer Meinung nach vor Haien nur so wimmelte, zog sie sich mit letzter Kraft über die Reeling und fiel einem guten Dutzend staunender Männer vor die Füße.
37. Kapitel
Vor Kälte zitternd stand Georgina an Deck, das Wasser lief ihr aus. den Hosenbeinen und ein eisiger Nachtwind pfiff ihr um die Ohren, da hörte sie eine vertraute Stimme sagen:
»Wenn das mal nicht der gute alte George ist? Willst uns wohl einen Besuch abstatten, eh?«
»Connie?« fragte Georgina noch immer keuchend, als ihr der Rotschopf einen schweren Regenumhang um die Schultern legte.
»Aber ... weshalb sind Sie denn frei?«
»Du bist also im Bilde, wie?«
»Natürlich, ich ... aber ich verstehe nicht. Haben Sie sich selbst befreit?«
»Selbstredend, sobald die Luke geöffnete wurde. Deine Landsleute sind nicht allzu schlau, hab ich recht? Es war kein Kunststück, mit ihnen die Plätze zu vertauschen.«
»Oh Gott, Sie haben ihnen doch nicht wehgetan, oder?«
»Nicht mehr als nötig«, erklärte er stirnrunzelnd, »um sie dorthin zu befördern, wo man uns hingesteckt hatte. Warum fragst du?«
»Die wollten Sie doch befreien! Haben Sie ihnen denn keine Gelegenheit gegeben, alles zu erklären?«
»Nein, wirklich nicht«, antwortete er aufgebracht. »Soll ich vielleicht annehmen, daß das Freunde von dir sind?«
»Nur meine Brüder, mehr nicht.«
Er schmunzelte über ihren mürrischen Tonfall. »Es ist ihnen ja nichts weiter passiert. Henry, geh und hol die beiden Kerle herauf. Und sei diesmal freundlich zu ihnen!« Und zu ihr gewandt: »Nun, George, hättest du vielleicht die Güte uns zu erklären, wo James ist?«
»Oh, das ist eine lange Geschichte. Die Zeit ist knapp, ich werde auf dem Weg zurück zur Küste alles erzählen.«
Connie meinte, hinter ihren Worten Besorgnis zu hören.
»Er ist doch in Ordnung, oder?«
»Selbstverständlich ... nur ein wenig verbeult ... und er braucht dringend Ihre Hilfe, um ihn aus einem Kellerloch zu befreien.«
»Er ist eingesperrt?« Zu Georginas Ärger begann er schallend zu lachen.
»Das ist alles andere als komisch, Mr. Sharpe. Sie wollen ihn wegen Piraterie dem Gericht übergeben«, erklärte sie ihm unverblümt und sein Lachen verstummte auf der Stelle. »Verfluchte Scheiße, ich hab' ihn doch gewarnt!«
»Nun, vielleicht hätten Sie ihn lieber festbinden sollen. An allem ist nur er alleine Schuld - und seine dämlichen Ge-ständnisse.«
Energisch trieb sie den ersten Steuermann zur Eile an, kam aber nicht umhin, ihm den Rest der Geschichte auf dem Weg zu erklären. Ihre Brüder ließ man vorerst noch da, wo sie waren, so konnte Connie ihre Pferde benutzen, um einige seiner Männer als Verstärkung mitzunehmen. Georgina fiel die zweifelhafte Ehre zu, mit ihm zusammen auf einem Pferd zu reiten. Er quetschte auch noch die letzte Kleinigkeit aus ihr heraus, unterbrach sie nur gelegentlich mit erstaunten Bemerkungen wie: »Das gibt's doch nicht'!« oder »Zum Teufel, hat er das?« und am Ende meinte er nur: »Bis hierhin kauf ich dir alles ab, aber daß er sich die Fesseln der Ehe hat anlegen lassen, das kannst du deiner Großmutter weismachen, aber mir nicht.« Daraufhin antwortete sie nur trocken:
»Das bleibt Ihnen überlassen. Mich hat man schließlich auch nicht gefragt.«
Sie machte sich gar nicht erst die Mühe, ihn zu überzeugen, und als sie bei ihrem Haus angekommen waren, glaubte er ihr immer noch kein Wort. Das war ihr aber völlig gleichgültig, denn sie war sowieso schon so geladen, daß sie ihm den Keller am liebsten überhaupt nicht gezeigt hätte.
Doch sie mußte befürchten, daß sich die Männer dann eigenhändig auf die Suche machen und das ganze Haus aufwek-ken würden.
Hätte sie doch bloß nicht gewartet, bis die Kellertüre sperr-angelweit offenstand. Im Licht der Kerze, die sie aus der Küche besorgt hatte, konnte er ohne Schwierigkeiten erkennen, wer - abgesehen von ihr, denn sie hielt sich hinter der Türe verborgen - seine Befreier waren. Doch sie war sicher, er hätte genauso reagiert, wenn er gewußt hätte, daß sie hier war.
»Du hättest dir die Mühe
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