Malory
brühwarm zu erzählen?«
»Nein«, erwiderte er schlicht.
»Du bist vielleicht ein ekelhafter Stiefsohn, Jeremy Malory«, preßte sie wütend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ihr kläglicher Versuch, das drohende Unheil abzuwenden, amüsierte den jungen Stutzer derart, daß er aus vollem Halse anfing zu lachen.
44. Kapitel
Als Dereks Kutsche vor dem Stadthaus am Picadilly anhielt, fühlte sich Georgina von ihrer Begleitung nicht nur belästigt, sondern war wirklich erbost. Jeremys Humor ging ihr gewaltig auf die Nerven, und seine schauderhaften Prophezei-ungen, was sie von einem wutentbrannten Ehemann alles zu erwarten hatte, machten die Sache nicht besser. Derek wei-dete sich noch immer genüßlich an seinem Kummer, daß er die eigene Tante hatte verführen wollen, und sein übertrieben tragisches Mienenspiel, das er zur Schau stelle, war auch nicht besonders dazu angetan, ihre miese Laune zu heben.
Und Percy, dieser Blödian, war von Haus aus so indiskuta-bel, daß man sich mit ihm eigentlich überhaupt nicht abge-ben durfte.
Trotz allem machte sie sich nichts vor. Ihr Arger war nur eine Schutzhaltung, denn obwohl James' Sturheit sie zu diesem waghalsigen Ausflug getrieben hatte, wußte sie nur zu gut, daß es ein Wahnsinn gewesen war, nachts alleine am Hafen herumzulaufen, und daß James mit Recht wütend auf sie sein würde. Und ein tobender James war nun mal keine erfreuliche Angelegenheit, wie sie aus Erfahrung wußte.
Hatte er nicht Warren beinahe mit bloßen Händen umgebracht? Und was Jeremy sich an Wutausbrüchen ausmalte, war sicherlich nichts im Vergleich dazu, was sie zu erwarten hatte. Es war nur zu verständlich, daß sie innerlich vor Angst zitterte und deshalb nach außen hin die Wütende spielte, um ihre Furcht zu kaschieren. Angriff war noch immer die beste Verteidigung.
Komme was wolle, sie würde hocherhobenen Hauptes ins Haus gehen, sich durch nichts und niemanden aufhalten lassen und sich geradewegs in ihr Zimmer begeben. Ihr verfluchter Stiefsohn konnte nach Herzenslust über sie herziehen, sie würde sich inzwischen in ihrem Zimmer verschanzt haben, bevor ihr Gemahl zu einem Donnerwetter ansetzen konnte.
So hatte sie sich das Ganze ausgemalt, doch Jeremy hatte andere Vorstellungen, und daß sie sich von ihm aus der Kutsche helfen ließ, war ein großer Fehler. Sie versuchte, sich an ihm vorbeizumogeln und noch vor ihm das Haus zu erreichen, doch er packte sie bei der Hand und ließ sie nicht mehr los. Wenn sie auch älter war, so war er doch um einiges grö-
ßer und kräftiger als sie und schien nichts anderes im Sinn zu haben, als sie und ihre Schandtaten seinem Vater auf einem silbernen Tablett zu präsentieren.
Sie brauchten nicht zu läuten, denn der allzeit bereite Butler Dobson stand schon in der geöffneten Tür. »Laß mich los, Jeremy, sonst knall ich dir eine!« zischte sie wütend, während sie dem Butler ein reizendes Lächeln schenkte.
»Aber, aber, spricht so eine Mutter mit ihrem ...«
»Du genießt den Auftritt wohl, du mißratener Bengel?«
Er antworte bloß mit einem frechen Grinsen und schob sie in die Diele. Außer Dobson war niemand zu sehen, und dort war schon die Treppe - vielleicht hatte sie ja noch eine win-zige Chance? Doch Jeremy dachte nicht daran, wertvolle Zeit zu vergeuden und rief sofort laut und vernehmlich nach seinem Vater. Auch Georgina verlor keine Zeit und trat ihm mit voller Wucht gegen sein Schienbein, was ihn jedoch nur animierte, eine Oktave höher und noch lauter zu brüllen, bis endlich die Tür zum Salon weit aufgerissen wurde, während sie ihn noch immer mit Tritten bearbeitete.
Hatte sie heute nicht schon genug Aufregung erlebt? Natürlich mußte James auch noch zu Hause sein. Hätte er ihre Abwesenheit nicht wenigsten schon entdeckt haben und sich auf die Suche nach ihr begeben können? Nein, er mußte zu Hause sein, ausgerechnet jetzt hier stehen und sie beobachten, wie sie seinen Sohn mißhandelte. Und er schien auch genau zu wissen, warum, das ließen zumindest seine argwöhnisch zusammengekniffenen Brauen vermuten. Und hatte Jeremy sie vielleicht losgelassen, jetzt, da sie schon in der Falle saß? Nein, er hielt sie noch immer fest wie einen Schwerverbrecher.
Das ganze Theater war einfach zuviel gewesen für Georgina, besser gesagt, gerade genug für ihren oft verleugneten Jähzorn, der jetzt wie ein Vulkan explodierte. »Sag deinem elendigen Sohn gefälligst, daß er mich augenblicklich loslassen soll, James
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