Malory
englischen Schiff anheuern, aber das war ja nicht deine Schuld. Du warst schließlich immer noch Amerikaner.«
»Aber das ist es ja gerade, Mädchen. Ich habe mich nie als richtiger Amerikaner gefühlt. Meine Familie hatte damals den Wunsch gehabt, sich dort niederzulassen - aber nicht ich.«
»Was willst du denn damit sagen, Malcolm?«
»Ich bin Engländer, und war schon immer einer. Als sie mich damals zu Kriegsbeginn eingezogen hatten, habe ich das auch ganz offen zugegeben. Und da ich noch so jung war, hatten sie mir auch geglaubt, daß ich kein Deserteur war. Sie ließen mich ohne weiteres anmustern, und ich war froh darüber. Mir war es vollkommen gleichgültig, unter welcher Flagge ich segelte. Hauptsache, ich war überhaupt auf einem Schiff. Und es geht mir nicht schlecht, wirklich.
Ich bin jetzt zweiter Steuermann auf der ...«
»Wir kennen das Schiff«, unterbrach ihn Georgina scharf.
»Dadurch haben wir dich ja gefunden. Obwohl es über einen Monat gedauert hat. Eine amerikanische Handelsgesellschaft hätte ja niemals Aufzeichnungen über abtrünnige Seeleute aufbewahrt. Meine Brüder wußten immer ganz genau, wo sich ihre Mannschaften aufhalten, wenn sie irgendwo auf Dock lagen ... Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Du hast es mit den Engländern gehalten! Vier meiner Brüder haben für diesen Krieg ihre Schiffe freiwillig zur Verfügung gestellt. Wie leicht hättest du auf einen von ihnen treffen können!«
»Beruhige dich, Kleine«, fuhr Mac dazwischen. »Du weißt ja inzwischen, daß er gegen uns kämpfen mußte.«
»Das schon, aber er gibt ja regelrecht zu, daß er ein Verrä-
ter ist!«
»Nein, er hat nur seine Loyalität gegenüber seinem Hei-matland eingestanden. Und das kann man einem Mann nicht vorwerfen.«
Nein, das konnte sie wirklich nicht, so gerne sie es auch getan hätte. Zum Teufel mit den Engländern! Wie sie diese Brut haßte! Nicht nur, daß sie ihr ihren Verlobten wegge-nommen hatten. Nein, damit nicht genug, sie hatten ihn auch noch auf ihre Seite gelockt. Malcolm war jetzt ein Engländer, und ganz offensichtlich auch noch stolz darauf. Aber schließlich war er immer noch ihr Verlobter - und der Krieg vorüber.
Malcolms Gesicht hatte sich puterrot verfärbt. Ob vor Verlegenheit oder vor Ärger über ihre Anschuldigungen, das konnte Georgina nicht genau sagen. Ihre Wangen jedenfalls glühten vor Zorn. So hatte sie sich das Wiedersehen mit ihrem Verlobten nicht vorgestellt.
»Mac hat recht, Malcolm. Es tut mir leid, wenn ich etwas aufbrausend reagiert haben sollte. Diese alten Geschichten
... Die sind jetzt wirklich nicht mehr wichtig. Es hat sich ja eigentlich nichts geändert. Meine Gefühle für dich gewiß nicht. Daß ich jetzt hier vor dir stehe, ist doch Beweis genug.«
»Ja, aber ich verstehe trotz allem noch nicht, warum du gekommen bist.«
Georgina starrte ihn einen Augenblick fassungslos an, dann verengten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen.
»Warum? Die Antwort darauf dürfte doch klar sein. Die Frage ist doch eher, warum ich überhaupt hierherkommen mußte. Und das kannst nur du mir beantworten. Warum bist du nach dem Krieg nicht sofort nach Bridgeport zurückgekehrt, Malcolm?«
»Es gab keinen Grund.«
»Keinen Grund?« Ihr blieb beinahe die Luft weg. »Da bin ich aber ganz anderer Ansicht. Da war noch die Kleinigkeit unserer Hochzeit. Oder hast du es vorgezogen, das zu vergessen?«
Malcolm konnte ihr nicht in die Augen schauen, als er antwortete. »Ich habe das nicht vergessen. Ich war nur der Meinung, du hättest mich als Engländer sowieso nicht mehr zum Mann haben wollen.«
»Es war wohl eher umgekehrt - du wolltest mich als Amerikanerin nicht zur Frau nehmen«, berichtigte sie ihn.
»Nein, so war es nicht«, verteidigte er sich schwach. »Ehrlich, ich habe nicht angenommen, daß du auf mich warten würdest. Mein Schiff ging unter, und ich dachte, du hältst mich bestimmt für tot.«
»Hattest du vergessen, daß ich aus einer Reederfamilie stamme? Richtig, wir hatten erfahren, daß dein Schiff gesunken war. Wir hatten aber auch erfahren, daß niemand der Besatzung dabei ums Leben gekommen oder vermißt worden war. Nur hatten wir nicht in Erfahrung bringen können, was dann weiter mit dir passiert war …, bis dich schließlich jemand auf der Progrom gesichtet hatte. Ich bin ja bereit, dir zuzugestehen, daß du es verständlicherweise für zwecklos gehalten hast, zu einer Verlobten zurückzukehren, die dich wahrscheinlich gar nicht mehr
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