Malory
dachte sie, er hat wirklich einen knackigen Hintern. Wurde es nicht immer schwü-
ler hier im Raum? Diese langen Beine und strammen Hüften.
Seine Männlichkeit war überwältigend, dreist und ab-schreckend zugleich.
Du lieber Himmel, kam er etwa auf sie zu? Tatsächlich.
Aber warum? Ach ja, die Lampe über der Wanne. Daß er sie auch immer so erschrecken mußte. Er drehte die Lampe herunter und erlösende Dunkelheit senkte sich über die Ecke, in der sie lag. An seinem Bett brannte noch ein kleines Licht. Sie schloß die Augen, sie würde ihm nicht zusehen, wie er in sein himmlisch bequemes Bett kriechen wür-de. Wenn er sich nun nicht zudeckte? Der Mond war bereits aufgegangen und würde den Raum bald in ein fahles Licht tauchen. Um nichts in der Welt würde sie ihre Augen nochmals öffnen.
Wo war er denn? Sie hatte ihn nicht zurück zum Bett gehen gehört.
»Ganz nebenbei, Kleiner, ist Georgie eigentlich dein Ruf-name, oder nur ein Kosename, mit dem dich deine Familie bedacht hat?«
Er steht jetzt neben mir - splitterfasernackt! Nein, das bilde ich mir nur ein. Ich bilde mir überhaupt alles bloß ein. Er hat seinen Hausmantel gar nicht ausgezogen. Wahrscheinlich träume ich das alles nur.
»Was hast du gesagt? Ich hab dich nicht verstanden.« Sie hatte doch kein Wort gesagt. Tu einfach so, als ob du schon schläfst. Und wenn er sie nun berührt, um sie zu wecken, damit sie ihm seine dumme Frage beantwortete? So angespannt wie sie im Augenblick war, würde sie vermutlich einen spitzen Schrei loslassen. Antworte ihm, du Schaf, dann geht er wieder.
»Es ist mein richtiger Name, Sir.«
»Genau das habe ich befürchtet, aber das werden wir schleunigst ändern. Warum? Ich kenne viele Frauen, die sich so nennen, als Abkürzung für Georgette oder Georgina oder irgendeinen anderen dieser ellenlangen Namen. Dir macht es anscheinend nichts aus, mit einem Mädchennamen herumzulaufen?«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, brachte sie gepreßt und ziemlich heiser heraus.
»Mach dir keine Gedanken, Kleiner. Du bist mit diesem Namen ohnehin gestraft genug. Deshalb habe ich beschlossen, dich ›George‹ zu rufen. Das klingt doch viel männlicher, findest du nicht auch?«
Er scherte sich doch den Teufel darum, wie sie das fand; und ihr war es auch schnurzegal, was er sich dachte. Nichts lag ihr ferner, als mit einem nackten Mann, der nur eine Handbreit von ihr entfernt im Dunkeln stand, zu streiten.
»Wie es Ihnen beliebt, Kapitän.«
»Wie es mir beliebt? Ich schätze dein gutes Benehmen, Georg. Wirklich.«
Als er endlich wegging, seufzte sie tief und wunderte sich nicht einmal, warum er leise vor sich hin lachte. Trotz ihres eisernen Vorsatzes riskierte sie nach einer Weile doch noch einen verschämten Blick. Zu spät, die Vorstellung war vorbei. Das Mondlicht erhellte den Raum, und er lag bereits ausgestreckt auf dem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und lächelte. Lächelte? Nein, das mußte wohl an der Beleuchtung liegen. Und wenn schon, das hatte nichts zu bedeuten.
Verärgert über sich selbst, drehte sie sich zur Wand. Warum mußte sie auch so neugierig sein? Ein letzter, tiefer Seufzer entschlüpfte ihr, gleich einem stummen Aufschrei.
18. Kapitel
Georgina hatte eine grauenvolle Nacht verbracht. Sie war erst im Morgengrauen eingeschlafen, und nun riß sie die laute Stimme des Kapitäns aus ihren Träumen. »Marsch, marsch, raus aus den Federn!« Schlaftrunken rieb sie sich die Augen und blinzelte ins helle Sonnenlicht, das bereits den Raum durchflutete. Verdammt, sie hatte verschlafen.
Kein Wunder nach einem solchen Tag und dieser furchtbaren Nacht. Zu ihrer großen Erleichterung war er wenigsten halbwegs angekleidet. Hosen und Socken hatte er immerhin schon an und war gerade dabei, sich ein schwarzes Seidenhemd überzuziehen, ähnlich geschnitten wie das vom Vortag, doch machte er sich nicht die Mühe, es zuzuknöpfen. Jetzt fehlte nur noch ein Ohrring, und der Kerl würde aussehen wie ein Pirat in seinem weiten Hemd und den ebenfalls schwarzen, engen Hosen, dachte sie gehässig. Im gleichen Moment hielt sie erschrocken die Luft an, denn er trug tatsächlich einen Ohrring, einen kleinen goldenen, der kaum sichtbar unter seinen blonden, vom Schlaf zerzausten Locken blinkte.
»Sie tragen ja einen Ohrring!« entfuhr es ihr.
Ein strahlend grünes Augenpaar richtete sich auf sie, und sogleich wurde sie wieder das Opfer seiner verhaßten Angewohnheit, nur eine der goldenen Brauen
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