Malory
bemerkte Reginas Abwesenheit, sobald er den Salon betrat. Er ging auf Eleanor zu. »Wo ist sie?« fragte er barsch.
»Reggie hat erwähnt, sie würde sich zurückziehen.«
»So früh? Ist sie krank?«
»Mein lieber Nicky, wo blieb dieses Interesse an deiner Frau, als sie vorhin am Tisch saß?«
»Schimpf nicht, Tante Ellie. Ich glaube, ich habe schon genug ausgestanden.«
»Trotzdem machst du auf deine sture Art weiter. Und dabei bist du doch nur unglücklich - gib es zu.«
»Unsinn«, entgegnete er gereizt. »Du kennst nicht die ganze Geschichte, Tante Ellie.«
Sie seufzte, als sie sah, wie er sein Kinn vorreckte. »Das mag sein. Aber wie du dieses arme Mädchen mißachtet hast, das ist einfach abscheulich von dir. Ich glaube nicht, daß du auch nur ein Wort zu ihr gesagt hast, seit wir hier angekommen sind.«
»Es waren mehr als zwei, das versichere ich dir.«
»Oh, du kannst so ekelhaft sein, Nicholas!« Eleanor sprach mit gesenkter Stimme. »Du willst einfach nicht eingestehen, daß du dich geirrt hast, daß du eine wunderbare Frau hast und daß kein Grund besteht, sie nicht zu lieben und zu verwöhnen.«
»Das gebe ich zu. Es ist so, daß meine Frau die Wahl ihres Mannes, die sie selbst getroffen hat, bereut. Ich habe ihr gesagt, sie würde es noch bereuen. Eine bittere Sache«, fügte er hinzu, »wenn einem in dem einzigen Punkt, in dem man sich irren wollte, bewiesen wird, wie recht man doch hatte.«
Sie sah ihm nach, als er sie stehen ließ, und ihre Augen waren traurig. Wie sehr sie doch wünschte, sie könnte ihm helfen... Aber das war etwas, was er mit sich allein abmachen mußte.
Wesentlich später betrat Nicholas das Wohnzimmer, das die beiden herrschaftlichen Schlafzimmer voneinan-der trennte, und war verblüfft, als er dort Regina vorfand, die sich auf dem Sofa zusammengerollt hatte und las. Sie trug einen Morgenmantel aus meerblauem Satin, der in der Taille von einem Gürtel zusammengehalten wurde und sich verführerisch an ihre zarte Gestalt schmiegte. Ihr mitternachtschwarzes Haar fiel in sinnlich zerzausten Wellen auf ihre schmalen Schultern. Sie ließ das Buch sinken und sah in an.
Ihr Blick war direkt, hatte wie üblich die Macht, ihn aufzurütteln. Zum Teufel, wieder eine Nacht, in der er sich schlaflos herumwälzen würde.
»Ich dachte, du seist ins Bett gegangen.« Tiefe Verzweiflung gab seiner Stimme einen scharfen Klang.
Reggie ließ das Buch langsam auf ihren Schoß sinken.
»Ich war nicht müde.«
»Hättest du nicht in deinem Zimmer lesen können?«
Es gelang ihr, völlig ruhig zu wirken. »Mir war nicht klar, daß dieses Zimmer ausschließlich für deinen Gebrauch bestimmt ist.«
»Das ist es nicht, aber wenn du vorhast, halbnackt rum-zuliegen, dann tu das in deinem Bett«, fauchte er. Sekundenlang starrte er sie finster an, dann verschwand er in seinem Zimmer.
Reggie setzte sich auf. Soviel dazu, daß sie versucht hatte, zu seiner Verfügung zu stehen... Wie hatte sie bloß glauben können, sie wäre in der Lage, ihn zu betören? Das einzige, was sie erregt hatte, war sein Zorn. Das mußte sie sich für die Zukunft merken.
35.
»Dein Haus ist einfach zum Verlieben, Nicky«, sprudelte Pamela Ritchie heraus, als sie ihn in der Bibliothek fand.
»Es ist so - so elegant! Es war ganz reizend von deiner Mutter, daß sie mich herumgeführt hat.«
Nicholas lächelte verkniffen und sagte nichts. Aus dem Munde eines jeden anderen hätte ihn dieses Lob seines Hauses mit Stolz erfüllt. Aber er hatte im Lauf seiner stür-mischen Beziehung mit dieser knackigen Brünetten vor etlichen Jahren, die genau zwei Wochen gedauert hatte, etwas über sie gelernt, und zwar, daß sie das, was sie sagte, selten auch so meinte. Ja, Silverley beeindruckte sie, aber es verdroß sie mit Sicherheit, daß sie nicht die Hausherrin war.
Nach dem Ende dieser Affäre hatte er dem Klatsch unter den Dienstboten entnommen, daß sie in einem Anfall von Wut ihr Schlafzimmer kurz und klein geschlagen hatte. Seit damals waren sie sich gelegentlich begegnet.
Sie hielt immer ein warmes Lächeln für ihn bereit, aber wenn man sie unvorbereitet erwischte, kochte Pamela vor Wut.
Frauen wie Pamela und Selena gerieten immer früher oder später mit seiner eigenen aufbrausenden Art aneinander. In seinen wilden Zeiten hatte er jede Form von weiblichem Temperament gekannt, aber nur in einem Fall war er wirklich in Gefahr gewesen - bei der entzückenden Caroline Symonds. Doch zum Glück war sie mit dem alten
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