Malory
Amüsement nahm Sir Walters Gesicht tiefernste Züge an, wenn er über diese Dinge sprach. Alle anderen Themen tat er mit lässiger Oberflächlichkeit ab.
Der Vicomte behandelte den Gast freundlich, eine große Erleichterung für alle, nachdem er drei Tage lang bärbeißig gewesen war. Er beglückte Sir Walter mit längeren Gesprächen über die Frühjahrssaat. Oder machte er sich etwa über ihn lustig? Vielleicht interessierte es ihn wirklich. Reggie war erstaunt darüber, wie engagiert er auf dieses Thema einging. War er etwa im Grunde seines Herzens auch ein Bauer? Wie wenig sie doch über den Mann wußte, mit dem sie verheiratet war...
Aber seine Liebenswürdigkeit erstreckte sich nicht auf seine Frau. Alle anderen hatten etwas davon. Sogar Miriam bekam höfliche Antworten. Aber Reggie ignorierte er. Das tat weh. Sie war nicht mehr wütend, weil sie gestritten hatten, denn sie konnte nur selten über längere Zeit wütend sein. Aber sie fühlte sich verletzt, weil sie diesen Traum nicht vergessen konnte. Es war ihr alles so wirklich erschienen - was sie in seinen Armen empfunden, wie leidenschaftlich er sie geliebt hatte... Und sie war so dumm gewesen, ihn von ganzem Herzen aufzu-nehmen. Warum verzieh sie ihm so schnell?
Miriams Äußerung über Gäste, die zu erwarten waren, irritierte Nicholas. »Das ganze Wochenende? Ich nehme an, es handelt sich nicht um eine deiner üblichen Dinnereinladungen?«
»Nein, eigentlich nicht«, erwiderte Miriam. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Leider sind die Einladungen schon kurz vor deiner Rückkehr verschickt worden. Ich hatte nicht mit deiner Ankunft gerechnet.«
»Und du hast auch nicht damit gerechnet, daß ich bleibe, soviel ist für mich klar«, bemerkte Nicholas trok-ken.
Eleanor schritt ein, ehe es zu einem Streit kam. »Ich finde, das ist eine gute Idee. Etwas zu kurz vor der Ballsaison in London, aber die beginnt ja doch erst eine Woche später. Wie viele Gäste erwartest du, Miriam?«
»Nur etwa zwanzig. Aber es werden nicht alle hierbleiben.«
»Das ist gar nicht typisch für dich«, äußerte Nicholas.
»Dürfte ich mich nach dem Anlaß erkundigen?«
Miriam wandte sich zu ihm, damit Walter ihre Augen nicht sehen konnte. »Muß es denn einen Anlaß dafür geben?« Ihr Blick schien ihn zu erdolchen.
»Nein. Wenn du plötzlich gern große Menschenan-sammlungen magst, schlage ich dir vor, dieses Jahr London zu besuchen und das Getümmel dort nach Herzens-lust auszukosten. Ich würde dir sogar mein Haus in der Stadt zur Verfügung stellen, nachdem meine Frau es inzwischen so durchdacht umgestaltet hat.«
»Ich würde im Traum nicht daran denken, Silverley un-beaufsichtigt zu lassen«, sagte Miriam steif.
»Ich kann dir versichern, daß ich mich dazu durchrin-gen werde, hierzubleiben und mich um das Anwesen zu kümmern. Dazu bin ich durchaus in der Lage, wenn du dir auch gern das Gegenteil einbildest.«
Miriam biß trotz des ausgeworfenen Köders nicht an. Er sah jetzt, daß sie nicht streiten wollte, solange Sir Walter anwesend war. Was für eine köstliche Situation. Ein solches Vergnügen! Aber Tante Ellie musterte ihn stirnrunzelnd, und der arme Tyrwhitt wirkte verlegen. Regina, die bezaubernde Regina, sah auf ihren Teller hinunter und wich seinem Blick aus. Er seufzte.
»Verzeih mir, Mutter. Ich wollte damit nicht andeuten, daß ich dich loswerden will oder daß es dir an Vertrauen in deinen einzigen Sohn mangelt.« Er grinste, als er sah, wie sie zusammenzuckte. Vielleicht konnte er doch noch ein wenig seinen Spaß haben. »Veranstalte unter allen Um-ständen dieses Fest. Ich bin sicher, Tante Ellie und meine Frau helfen dir gern bei den Vorbereitungen.«
»Ich habe bereits alles geregelt«, erwiderte Miriam hastig.
»Dann wäre das Thema abgeschlossen.«
Nicholas aß weiter, und Reggie schüttelte den Kopf. Sie hatte ihre kleinen Kämpfe mit der Gräfin immer für unter ihrer Würde gehalten, aber sich doch immer wieder provozieren lassen. Miriam hatte heute abend nichts getan, um Nicholas zu ärgern. Warum war es ihm immer wieder ein Anliegen, derart unausstehlich zu sein?
Sobald die Damen die Männer beim Cognac allein lie-
ßen, zog sich Reggie in ihre Gemächer zurück. Aber Thomas schlief schon, und Meg besuchte im Dienstbotenflü-
gel Harris. Es war noch zu früh, um schlafen zu gehen.
Trotzdem widerstrebte es ihr, wieder nach unten zu gehen. Vor anderen von ihrem eigenen Mann ignoriert zu werden war einfach zu peinlich.
Nicholas
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