Malory
stand bereit, um ihr Gepäck abzula-den. Es sah so aus, als hätten sich sämtliche Dienstboten des ganzen Hauses versammelt, um ihren Herrn zu be-grüßen, und sogar die Gräfin stand regungslos in der Tür.
Erst später erkannte Reggie, daß ein Teil dieses Tumults für Thomas veranstaltet wurde, den neuen Lord.
Einer nach dem anderen versuchten sie, einen Blick auf ihn zu werfen, als sie von der Kutsche zu den hohen Hü-
geltüren eilte.
Miriam sah Thomas verbittert an, ehe sie ihren kühlen Blick auf Reggie und Nicholas richtete. »Tja«, sagte sie beiläufig, »du hast den Bastard also mit nach Hause gebracht.«
Eleanor atmete hörbar ein. Sie warf ihrer Schwester einen wütenden Blick zu und stürmte an ihr vorbei ins Haus. Die arme Tess lief puterrot an und war froh, daß die reizbare Meg nicht in der Nähe war und diese Worte nicht gehört hatte.
Nicholas, der hinter Reggie stand, erstarrte, aber sein Gesicht blieb ausdruckslos. Er war sicher, daß sich diese Beleidigung auf ihn selbst und nicht auf das Baby bezog.
Miriam würde sich niemals ändern. Sie war so voller Bitterkeit, daß ihr Gift manchmal übersprühte.
Reggie blieb stehen, ihr Gesicht rötete sich vor Zorn, und ihre Augen richteten sich fest auf die Gräfin. Die Frau schien sich darüber zu freuen, daß es ihr gelungen war, alle, die in Hörweite waren, aus der Fassung zu bringen.
Mit gesenkter Stimme sagte Reggie: »Mein Sohn ist kein Bastard, Lady Miriam. Wenn Sie ihn je wieder als solchen bezeichnen sollten, könnte ich handgreiflich werden.«
Sie betrat das Haus, ehe Miriam darauf antworten konnte, und Tess folgte ihr. Nicholas blieb allein zurück und lachte über Miriams wutentbranntes Gesicht.
»Du hättest dich deutlicher ausdrücken müssen, Mutter. « Er nannte sie nur deshalb so, weil er wußte, wie sehr es sie ärgerte. »Schließlich laufen heutzutage so viele von uns illegitimen Kindern rum.«
Miriam ließ sich nicht dazu herab, darauf einzugehen.
»Hast du diesmal vor hierzubleiben?« fragte sie in eisigem Ton.
Nicholas lächelte sie spöttisch an. »Ja, ich habe vor zu bleiben. Irgendwelche Einwände?«
Sie wußten beide, daß sie keine Einwände erheben würde. Silverley gehörte ihm, und nur seiner Erlaubnis hatte sie es zu verdanken, daß sie hier leben konnte.
Nachdem Regina nach oben gegangen war, zog sich Nicholas in die Bibliothek zurück, den Raum, der ihm in Silverley immer der liebste gewesen war, sein Allerheilig-stes. Erfreut stellte er fest, daß sich hier nichts verändert hatte. Sein Schreibtisch stand noch in der Ecke, daneben eine gut bestückte Bar. Heute würde er sich die Bücher ansehen, weil er wissen wollte, ob Miriams Zahlen ihm ein-leuchteten. Außerdem würde er sich betrinken.
Nicholas betrank sich nicht wirklich. Er konnte sich aus den Zahlen in den Rechnungsbüchern nicht den gering-sten Sinn zusammenreimen, aber das war nicht weiter erstaunlich. Miriam tat das mit Absicht, soviel stand für ihn fest, damit er gezwungen war, sich stundenlang mit ihr zusammenzusetzen, während sie sich dazu herabließ, ihm zu erklären, was sie mit dem Anwesen unternommen hatte. Bei solchen Besprechungen pflegte sie ständig darauf anzuspielen, Silverley würde ohne sie zu einer Ruine verfallen.
Wie sie beide wußten, mied er Silverley seit dem Tod seines Vaters nur ihretwegen und verließ sich darauf, daß sein Verwalter ihn über die Zustände informierte. Er hielt es ganz einfach nicht lange unter einem Dach mit ihr aus.
Miriams Drohungen ließen ihn immer wieder in Wut geraten.
Sie war die Witwe seines Vaters und in den Augen der Welt war sie seine Mutter, daher konnte er sie nicht gut hinauswerfen. Es war immer leichter gewesen, einfach wieder zu gehen. Aber jetzt hatte er seine Frau und sein Kind nach Silverley gebracht, und diesmal würde Miriam ihn nicht vertreiben.
Er ging nach oben, um sich für das Abendessen umzu-ziehen. Seine Laune hatte sich drastisch verschlechtert. Er hatte es nicht lassen können, über seine Probleme mit Regina nachzugrübeln, und es nagten auch Schuldgefühle an ihm, weil er sie betrunken gemacht hatte. Er hatte ihr das Nachthemd wieder angezogen, damit es sie nicht zu sehr in Verlegenheit brachte, wenn ihre Zofe kam, um sie zu wecken. Aber selbst, wenn sie sich nicht an ihre gemeinsame Nacht erinnerte, wußte er selbst doch, daß er sie mit List und Tücke veranlaßt hatte, seine glühende Leidenschaft zu dulden.
Als Nicholas eintrat, verließen drei Mädchen
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