Malory
ihm den Atem. Er taumelte nach vorn und schnappte nach Luft.
Die Hand, die unter sein Kinn glitt, um ihn wieder hochzuziehen, behandelte ihn fast zart. »Enttäusch mich nicht schon wieder, Junge.« Die Stimme klang leise und bedrohlich. »Sag mir, daß du dich an mich erinnerst.«
Nicholas errötete vor machtlosem Zorn, als er den Mann anstarrte, der nur wenige Zentimeter kleiner war als er selbst. Ein Band faßte das lange hellbraune Haar zusammen, aber kürzere blonde Locken fielen ihm über die Ohren. Der Bart hatte denselben hellen Braunton wie das Haar. Als er den Kopf zur Seite legte, um Nicholas zu mustern, blitzte an seinem Ohr etwas Goldenes auf.
Ein Ohrring? Ausgeschlossen, sagte sich Nicholas. Die einzigen Männer, die Ohrringe trugen, waren. . . Unbehagen trat an die Stelle seines Zorns. »Captain Hawke?«
»Ausgezeichnet, Junge! Ich fände es entsetzlich, wenn ich glauben müßte, du hättest mich vergessen«, kicherte Hawke. »Da siehst du, was man erreichen kann, wenn man dem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge hilft, Connie. Und als wir uns das letzte Mal getroffen haben, war das in einer dunklen Gasse. Ich bezweifle, daß der Junge mich dort deutlich erkennen konnte.«
»Er hat dich auf der Maiden Anne gut sehen können.«
»Aber sehe ich an Deck eines Schiffs so aus wie jetzt?
Nein. Der Junge ist gescheit, das merkt man doch. Er hat seine Schlüsse gezogen, verstehst du? Ich bezweifle, daß er noch einen so erbitterten Feind wie mich hat.«
»Ich enttäusche Sie ungern«, sagte Nicholas matt, »aber Sie haben kein Monopol mehr auf den Haß gegen mich.«
»Nein? Das ist ja großartig! Mir würde der Gedanke gar nicht behagen, daß Sie es allzu leicht haben, wenn ich fort bin.«
»Dann hat also noch nicht meine letzte Stunde geschlagen?« fragte Nicholas.
Connie lachte. »Er ist genauso arrogant wie du, Hawke.
das mußt du ihm verdammt noch mal lassen. Ich glaube, er fürchtete sich überhaupt nicht vor dir. Als nächstes wird er dir ins Gesicht spucken.«
»Das bezweifle ich«, erwiderte Hawke kühl. »Falls er's doch tut, könnte ich ihm ein Auge ausreißen. Was meinst du, wie würde er wohl aussehen, wenn er so eine Augen-klappe wie der alte Billings trüge?«
»Mit dem hübschen Gesicht?« entgegnete Connie. »Das würde seinem fantastischen Aussehen nur noch einen zu-sätzlichen Reiz gegen. Die Damen wären entzückt.«
»Wenn das so ist, sollte ich mich vielleicht doch lieber seines Gesichtes annehmen.«
Nicholas sah den Schlag gar nicht auf sich zukommen.
Seine Wange brannte wie Feuer, und er taumelte. Connie stand jedoch schon bereit, um ihn aufzufangen, und dann traf ein genauso kräftiger Hieb seine andere Wange.
Als sein Kopf nicht mehr ganz so heftig schwirrte, spuckte Nicholas Blut. In seinen Augen stand ein mordlu-stiges Funkeln, als er den Piraten anstarrte.
»Bist du jetzt wütend genug, um mit mir zu kämpfen, Junge?«
»Sie hätten mich nur fragen müssen«, brachte Nicholas mit Mühe heraus.
»Du brauchtest einen gewissen Ansporn. Ich bin gekommen, um die Rechnung mit dir zu begleichen, nicht zum Spaß. Und ich fordere einen fairen Kampf, oder wir müssen das Ganze wiederholen.«
Nicholas schnaubte verächtlich, trotz der Schmerzen, die es ihm bereitete. »Die Rechnung begleichen? Sie vergessen, wer wen auf offener See angegriffen hat.«
»Aber das ist doch mein Gewerbe, das weißt du doch.«
»Wie können Sie es dann wagen, von Rache zu sprechen, weil jemand besser war als Sie und Sie besiegt hat?« fragte Nicholas. »Oder habe ich etwa die Ehre, der einzige Mann zu sein, der nach einem Zusammenstoß mit der Maiden Anne mit einem heilen Schiff davongekommen ist?«
»Keineswegs«,
antwortete
Hawke
aufrichtig.
»Wir
sind schon vorher kaum noch an Land gekommen. Ich selbst habe in der Hitze des Gefechts Wunden davonge-tragen. Trotzdem war's mir gar nicht recht, daß mein Sohn verletzt wurde, als Sie meinen Hauptmast fällten.
Aber selbst das mußte ich hinnehmen, weil ich den Jungen schließlich an Bord hatte. Unter Gentlemen sollten wir jetzt...«
»Ein Pirat ein Gentleman?« Es war gefährlich, das aus-zusprechen, aber Nicholas mußte es sagen.
»Spotte, soviel du willst, aber du bist klug genug, um zu begreifen, warum wir uns wiedersehen mußten.«
Nicholas hätte fast laut gelacht. Es war einfach unglaublich. Der Pirat hatte ihn von sich aus angegriffen, weil er die Ladung, die Nicholas' Schiff beförderte, an sich bringen wollte. Nicholas
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