Malory
nacht nicht gelungen, lange genug wach zu bleiben und darauf zu warten, daß er in ihr Zimmer kam.
Aber er war wie üblich zu ihr gekommen und lag noch in ihrem Bett, als sie am nächsten Morgen aufwachte.
Seine Hand, die zärtlich ihre Brust streichelte, und seine Lippen an ihrem Nacken hatten sie geweckt. Obwohl sie sich sofort wieder daran erinnerte, daß sie ihm die Leviten lesen wollte, verschob sie ihr Vorhaben aus purem Eigennutz und drehte sich statt dessen zu ihm, damit er die Körperstellen, an denen er Interesse zeigte, besser erreichen konnte.
Sie seufzte und schlang die Arme um ihn. Wie liebte sie diesen Mann! Sogar nach mehr als dreißig Jahren erregte sie seine Berührung noch über alle Maßen, und seine Küsse entflammten ihre Leidenschaft noch genauso schnell wie in ihrer Jugend. Und sie wußte, daß sie die gleiche Wirkung auf ihn ausübte.
Sie hatten erst ein paar heiße Küsse ausgetauscht, aber Molly wußte, wohin das führen würde, was dann auch eintrat. Sie war für ihn bereit. Sie war immer für ihn bereit. Sie betrachtete es als Geschenk, daß sie ihn liebte und gleichzeitig begehrte. Und Jason ließ in seinen Bemühungen niemals nach. Wenn er sie liebte, dann nie zurückhaltend, sondern immer ausschweifend und unendlich befriedigend – wie auch heute.
»Guten Morgen«, sagte er, lehnte sich zurück und lä-
chelte sie an, nachdem beide wieder auf der Erde ge-landet waren.
So ein Morgen konnte einen sehr schnell verdrießlich stimmen, aber er wußte, wie man ihn »gut« begann.
Sie erwiderte sein Lächeln und hielt ihn noch einmal ganz fest, dann gab sie ihn frei, vielleicht weil sie wuß-
te, daß sie ihn tadeln würde, bevor sie auseinandergin-gen, und daher wollte sie den Schlag wohl ein wenig abmildern.
Der Rest der Familie, abgesehen von seinem Sohn, betrachtete ihn als den Strengsten der ganzen Sippe, sogar als ziemlich furchteinflößend. Schließlich war er das Haupt der Familie und hatte die Verantwortung übernommen, seine jüngeren Geschwister großzuziehen, als er selbst noch jung war. Aber sie kannte seine andere Seite, seinen Charme, seinen Humor, seine Zärtlichkeit. Wesenszüge, die er vor den anderen verbarg – teils aus Gewohnheit und teils wegen seiner Stellung innerhalb der Familie, aber niemals ihr gegen-
über, ausgenommen natürlich, wenn sie nicht allein waren.
Das war der Stachel in seinem Fleisch, und doch sah sie keinen Ausweg. Er wollte liebevoll mit ihr umgehen, auch wenn sie nicht allein waren, aber dann mußte er sie heiraten, und das erlaubte sie ihm nicht. Sein ständiges Drängen, ihn zu heiraten, und ihre ständige Weigerung stellten eine Belastung für ihre Beziehung dar.
Einer von ihnen würde nachgeben müssen, und soweit es Molly betraf, würde es gewiß nicht sie sein.
Sie war fast angezogen, als sie seinem Morgen einen Dämpfer aufsetzte. Sie sagte, was gesagt werden muß-
te. »Muß ich mich tagsüber vor dir verstecken, Jason, solange deine Familie im Haus ist?«
Er saß jetzt aufrecht im Bett, nachdem er genüßlich an ein Kissen gelehnt ihr bei der Morgentoilette zugese-hen hatte. »Was bringt dich auf diese Frage?«
»Die Art, wie du mich gestern im Eßzimmer angesehen hast; jeder der Anwesenden hätte es bemerken können. Das ist nicht das erste Mal. Was ist in dich gefahren, daß du vergessen konntest, daß ich nur deine Haushälterin bin?«
»Vielleicht die Tatsache, daß du nicht nur meine Haushälterin bist?« entgegnete er und seufzte dann einlenkend. »Ich glaube, es ist einfach diese Jahreszeit, Molly.
Ich muß immer daran denken, daß es zu Weihnachten war, als Derek Kelseys Einwände, ihn zu heiraten, vom Tisch fegte, und ihre Gründe waren die gleichen wie deine.«
Es überraschte sie, daß gerade die Weihnachtszeit diese Grübeleien in ihm auslöste, und sie bemerkte rasch:
»Aber da ist doch ein Riesenunterschied, und das weißt du. Mein Gott, Jason, sie stammt von einem Herzog ab. Jedem wird verziehen, wenn er aus einer so illustren Familie wie sie kommt. Übrigens wurde der Skandal, den sie so gefürchtet hatte, vollständig vermieden. In deinem Fall wäre das nicht so.«
»Wie oft muß ich dir noch versichern, daß mich das schon lange nicht mehr kümmert? Ich möchte dich zu meiner Frau haben, Molly. Vor Jahren bereits habe ich eine Ausnahmeregelung erwirkt, um dich zu heiraten.
Du brauchst nur ja zu sagen, und wir können noch heute Mann und Frau sein.«
»Oh, Jason, du bringst mich noch zum Weinen«,
Weitere Kostenlose Bücher