Malory
mir bei unserem Sohn gekommen ist ...«
»Sohn?« unterbrach er sie überrascht. »Wir bekommen einen Sohn? Das weißt du bestimmt?«
»Nun ja, ich habe von ihm geträumt. Normalerweise sind meine Träume ziemlich zuverlässig. Aber das hat nichts mit dem Geschenk zu tun, das wir machen müssen.«
»Was für ein Geschenk?«
Nun schien er die Welt nicht mehr zu verstehen. Sie konnte es ihm nicht verübeln. Bei ihren Gefühlen wußte sie selbst oft weder ein noch aus.
»Wir müssen zu Papier bringen, wie wir uns kennengelernt haben, wie wir uns ineinander verliebten, wie sich jeder auf seiner Seite durchsetzen mußte, um sich für die Liebe zu entscheiden und nicht für das, was man von uns erwartet hatte. Wir müssen unsere Geschichte aufschreiben, Christoph.«
»Aufschreiben?« Allein die Vorstellung verursachte ihm Unbehagen. »Ich bin nicht sehr gut darin, mich schriftlich auszudrücken, Anna.«
Sie lächelte ihn an. »Du wirst es gut machen. Das weiß ich bereits.«
Er rollte die Augen hilfesuchend nach oben. »Ich habe einen besseren Vorschlag. Übernimm du doch das Schreiben, wenn es schon getan werden muß. Übrigens, wieso müssen wir das machen?«
»Wir müssen es tun, nicht für unseren Sohn, aber für seine Kinder und deren Kinder. Mein ›Gefühl‹ sagt mir, daß die Geschichte unserer Liebe einem oder mehreren dieser Kinder zum Guten gereichen wird.
Ich weiß nicht, wann es zum Tragen kommt oder warum, ich weiß nur, daß es eines Tages von Nutzen sein wird. Vielleicht werde ich zu einem späteren Zeitpunkt mehr darüber wissen oder andere Gefühle haben, aber im Augenblick weiß ich nur das.«
»Na schön, das kann ich akzeptieren ... nehme ich jedenfalls an. Trotzdem sehe ich nicht ein, warum wir uns beide damit befassen müssen. Es reicht doch, wenn einer von uns die Geschichte erzählt.«
»Da hast du nicht so unrecht, aber ich kann weder über deine Gefühle berichten, Christoph, noch kann ich deine Gedanken zu Papier bringen. Das ist dein persönlicher Betrag zu unserer Geschichte. Aber wenn dir dein Schreibstil soviel zu schaffen macht, oder wenn du be-fürchten solltest, daß ich über die Gedanken, die du niederschreibst, lächeln oder spötteln könnte, verspreche ich dir, nicht ein Wort davon zu lesen. Diese Geschichte ist weder für uns noch für unseren Sohn bestimmt, sondern für die Nachfolgenden, denen wir wahrscheinlich nie begegnen werden. Wir können unser kleines Werk wegschließen, damit es keiner zu unseren Lebzeiten zu sehen bekommt.«
Er seufzte und küßte sie dann zart auf die Wange, um seine widerstrebende Einwilligung ein wenig zu mildern. »Wann möchtest du beginnen?«
Sie zögerte nur einen Augenblick. »Heute, am Weih-nachtsabend. Ich habe das Gefühl ...«
»Bitte, heute abend keine ›Gefühle‹ mehr«, fiel er ihr aufstöhnend ins Wort.
Sie lachte hell auf. »Ich habe nicht gesagt, daß wir heute ungeheuer viel schreiben müssen, aber wir könnten zumindest anfangen. Übrigens, ich habe noch ein Geschenk, das ich dir heute nacht machen möchte, es wird aber ein Weilchen dauern – bis ich es dir schenke.«
Sie warf ihm einen sinnlichen Blick zu, der sofort seine Aufmerksamkeit weckte. Interessiert hob er eine Augenbraue. »Tatsächlich? Ein Weilchen dauern, eh? Du, äh, läßt nicht mit dir handeln und überreichst mir das Geschenk schon vorher, oder?«
»Ich könnte mich überreden lassen.«
Seine Lippen näherten sich ein weiteres Mal ihrer Wange, wanderten den Nacken hinunter und ließen kleine Schauer über ihre Schultern laufen. »Im Überreden bin ich ein Meister«, flüsterte er heiser.
»Ich hatte es im Gefühl, daß du das sagen würdest.«
Kapitel Siebenundzwanzig
M it einem zufriedenen Seufzer klappte Amy das Tagebuch zum letzten Mal zu. Das hatte ihre kühnsten Erwartungen übertroffen. Jetzt war sie mit ihrer ›Gabe‹
völlig versöhnt. Es könnte natürlich rein zufällig sein, daß sie immer beim Wetten gewann, aber sie glaubte lieber, daß sie dieses Glück ihrer Urgroßmutter ver-dankte.
Die Familie war beim Vorlesen, das drei Tage dauerte, nicht immer vollständig versammelt gewesen. Rosalynn und Kelsey kümmerten sich abwechselnd um die Kinder, so daß sie so manches Kapitel verpaßten. Aber jetzt, da sie das Tagebuch für sich haben konnten, hol-ten sie das Versäumte nach.
Amys ältere Schwestern beschlossen zu warten, um das Tagebuch dann mit Muße selbst zu lesen. Obwohl sie oft hereinkamen, um den Verlauf der
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