Malory
haben. Obwohl Haverston ein riesiges Gemäuer ist, haben sie es fertiggebracht, ein ge-mütliches Heim daraus zu machen.«
»Vielleicht möchtest du es so sehen, weil es dein Zuhause ist«, wandte seine Frau treffend ein. »Für diejenigen, die hier nicht aufgewachsen sind, wirkt es eher wie ein Schloß.«
»Ganz meiner Meinung«, pflichtete Georgina bei.
»Amerikanische Vorstellungen kommen hier nicht zum Zuge, George«, belehrte James seine Frau. »Wir wissen schließlich alle, daß man diese Prachtentfaltung bei euch in den Staaten nicht kennt, rückständig, wie ihr immer noch seid.«
Anthony lachte im stillen über das Gesagte. Er nickte Warren zu, der auf dem Teppich vor dem Christbaum saß; auf jedem Knie einen Zwilling, war er vollauf damit beschäftigt, ihnen beim Auspacken der Geschenke zu helfen. »Der ist verpufft, Alterchen. Der Yankee hat dich nicht gehört.«
»Aber dieser Yankee hier«, erwiderte Georgina und verpaßte James einen kräftigen Stoß in die Rippen, um ihm zu zeigen, daß sie beleidigende Äußerungen über ihre Heimat nicht dulden würde.
Er brummte etwas in sich hinein und wandte sich dann Anthony zu. »Sei so nett und erinnere mich daran, es noch einmal zu wiederholen, wenn er in Hörweite ist.«
»Worauf du dich verlassen kannst«, versicherte Anthony.
Bei solchen Gelegenheiten hielten sie immer wie Pech und Schwefel zusammen. Auch wenn sie sich ständig bekämpften, vor dem ›Feind‹ benahmen sie sich wie alte Kameraden.
Reggie ging in diesem Augenblick an ihnen vorbei, verteilte ein paar Geschenke und ließ eines davon in James’ Schoß fallen. Es war von Warren.
»Vielleicht bewirkt es einen Sinneswandel, und du bist am heutigen Festtag freundlicher«, sagte sie.
Er hob die Augenbrauen und sah sie an, während er das Päckchen aufmachte; er blickte kurz hinein und lachte laut auf. »Das glaube ich kaum, mein Herz.« Er hielt eine kleine Bronzefigur hoch, die die Karikatur eines sichtlich schwachsinnigen englischen Monarchen darstellte. »Etwas Schöneres hätte ich mir nicht wünschen können.« Da er das Geschenk als Provokation auffaßte, freute sich James darüber. Warren war schließlich sein bevorzugter und härtester Gegner, dicht gefolgt von Reggies Mann.
»Na wunderbar, dann ist ja alles in Ordnung«, bemerkte Reggie lakonisch. »Ich bin erleichtert. Da du nun für heute eine Zielscheibe hast, bleibt mein Nicholas ein Weilchen von deinen Seitenhieben verschont.«
»Dessen wäre ich mir nicht so sicher, meine Liebe.«
James grinste hinterhältig. »Ich möchte nicht, daß er denkt, ich vernachlässige ihn, nur weil Weihnachten ist.«
In diesem Augenblick stand Molly an der Türschwelle.
Seitdem sie sich mit dem Tagebuch befaßte, hatte Jason keine Gelegenheit gefunden, mit ihr zu sprechen.
Gestern abend hatte sie die letzte Zeile gelesen, während er bereits fest schlief. Mit hoffnungsvollem Blick ging er ihr entgegen.
Dabei schaute er gezielt auf den Türrahmen, unter dem sie stand. Ihre Augen folgten seiner Blickrichtung, und sie bemerkte den Mistelzweig, der wie jedes Jahr an dieser Stelle hing. Bevor sie auch nur daran dachte, daß er das Unglaubliche wagen könnte, sie, Molly Fletcher, in Gegenwart seiner Familie zu küssen, war es schon passiert, und er tat es ausgiebigst.
Atemlos sagte er einige Sekunden später: »Muß ich meine Frage wiederholen?«
Sie lächelte, da sie genau wußte, auf welche Frage er anspielte.
»Nein, nie mehr«, flüsterte sie so leise, daß man es kaum hören konnte. »Meine Antwort ist ja, aber ich knüpfe eine Bedingung daran.«
»Und die wäre?«
»Ich werde dich nur heiraten, wenn du mir versprichst, daß keiner außer deinen Familienangehörigen etwas davon erfährt.«
»Ach, Molly ...«
»Laß mich bitte ausreden. Ich weiß, meine Antwort fällt nicht so aus, wie du erwartet hast. Vor allem, da du jetzt weißt, daß ich das Tagebuch deiner Großeltern gelesen habe. Ihre Lage damals war eine andere. Niemand aus Christopher Malorys Umgebung kannte Anastasia. Für die Leute aus Havers war sie eine Fremde. Es war einfach für sie, unliebsamen Fragen auszu-weichen, so daß bis auf wenige Eingeweihte keiner die Wahrheit wirklich kannte – und, nicht zu vergessen, ihr Vater war ein russischer Edelmann.«
Mit einem verzweifelten Seufzer blickte er zum Himmel. »Und worauf willst du hinaus?«
»Du weißt, daß es sich bei mir anders verhält, und ich möchte nicht noch einen weiteren Skandal auslösen.
Deine
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