Malory
Zeit später Margery erschien. »Bist du sicher, dass es dir besser geht? Falls nicht, komme ich auch noch länger ohne dich aus.«
»Ich bin wieder gesund«, beruhigte Margery sie. »Der Ärger darüber, dass ich so lange brauche, um »seefest« zu werden, wie ihr es nennt, ist schlimmer als alles andere.«
Gabrielle schmunzelte. »Wir können ja nicht alle Seeleute sein.«
Margery schnaubte, dann steuerte sie auf Gabrielles Taschen zu. »Dann wollen wir mal auspacken. Wenigstens hat diese Kabine einen Schrank für deine Sachen. Und hier, die wirst du brauchen. Falls du vorhast, dich wie gewöhnlich an Deck herumzutreiben und bei Bedarf mit anzupacken, wie du es ebenfalls gewöhnlich tust, wenn du an Bord eines Schiffes bist, solltest du besser die hier tragen – nur damit ich meinen Seelenfrieden habe«, sagte Margery.
Mit »die« meinte sie eine von den abgeschnittenen Hosen, die Gabrielle sich angeschafft hatte, als Nathan anfing, sie auf seinem Schiff mitzunehmen. Sie saßen perfekt und waren sehr bequem, dazu trug Gabrielle stets eine langärmelige Bluse, die bis auf die Knie reichte und somit verbarg, wie gut die Hose ihr Hinterteil zur Geltung brachte.
Neugierig hob Gabrielle eine Braue. »Seelenfrieden?«
»Genau«, entgegnete Margery trotzig, doch dann gab sie zu. »Ich habe schon Albträume gehabt, dass du über deine langen Röcke stolperst und über Bord gehst. Und wage es ja nicht, mir zu sagen, dass könne nicht passieren, junge Dame.
Wir beide wissen, dass es durchaus passieren kann.«
Gabrielle lachte. Typisch Margery, an dieses eine Mal zu erinnern, als der Wind einfach ihre Röcke geschnappt und so um ihre Beine gewickelt hatte, dass sie tatsächlich gestolpert und über die viel zu nahe Reling ins Meer gefallen war. Da sie sich damals auf hoher See befanden, musste sie aus dem Wasser gefischt werden. Und als sie wie ein nasser Sack an Deck gezogen wurde, musste sie auch noch das Gelächter der Crew ertragen. Noch am selben Tag hatte sie sich ein Paar Hosen von Richard besorgt und sich weitere schneidern lassen, als sie wieder zu Hause war.
»Was für ein Glück, dass ich daran gedacht habe, sie einzu-packen«, fuhr Margery fort, während sie Gabrielle die Hose reichte.
»Warum hast du sie überhaupt mitgenommen?«, fragte Gabrielle. »Wir sind doch gar nicht mit Vaters Schiff gefahren.«
»Ich weiß, und ich habe sogar gehofft, du würdest sie nicht brauchen, aber um ehrlich zu sein, ich hatte Angst, du würdest dem Kapitän des Schiffes, das uns nach England gebracht hat, vorschreiben wollen, wie er sein Schiff zu führen hat oder es ihm sogar zeigen.«
»Das hätte ich nie getan!«, lachte Gabrielle.
»Nein, aber du hättest es vielleicht als Entschuldigung benutzt, um dein geliebtes Seemannsleben zu führen. Ich bin wirklich überrascht, dass du dich zurückhalten konntest.«
»Während der Fahrt hatte ich so viel zu grübeln, dass ich gar nicht darauf geachtet habe, wie das Schiff geführt wurde.«
»Na, na, nun mach dir mal keine Sorgen mehr, wie wir einen Mann für dich finden.«, sagte Margery, die richtig erriet, was Gabrielle damals beschäftigt hatte. »Sobald wir deinen Vater aus diesem Kerker befreit haben, werden wir wieder auf Männerjagd gehen.«
Gabrielle seufzte. »Schade, dass ich all die schönen Kleider zurücklassen musste.«
»Ein paar habe ich eingepackt«, sagte Margery und hielt eines hoch, um es Gabrielle zu zeigen.
»Aber bei dieser Reise werde ich keine Gelegenheit haben, sie zu tragen.«
»Wer sagt das? Nur weil du an Deck zu deiner Sicherheit diese Hosen tragen wirst, brauchst du doch nicht auch noch beim Abendessen so herumzulaufen. Man sollte nicht vergessen, dass du eine Dame bist.«
Gabrielle schmunzelte. »Bei dieser Uberfahrt bin ich eigentlich ein Pirat.«
»Zugegeben – aber ein weiblicher Pirat. Und hier ist die Bluse, die du immer zu den Hosen trägst.« Nach einem Blick auf Gabrielles Haar, das sie an dem Tag nur mit einem Band zurückgebunden hatte, schnalzte Margery missbilligend mit der Zunge. »Morgen früh werden wir das in Ordnung bringen.«
»Kommt gar nicht infrage. Es ist Zeitverschwendung, sich an Bord eines Schiffes mit modischen Frisuren aufzuhalten.
Der Wind reißt sie einfach kaputt.«
»Nur weil du nicht vom Deck wegbleibst«, meckerte Margery.
»Schrubbt die Decks!«, gab Miss Carla ihren Senf dazu.
»Gib Ruhe, du blöder Vogel«, sagte Margery und ging zur Tür. »Ich sehe dich morgen früh, Gabby. Eine gute
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