Malory
Nacht wünsche ich dir.«
Aus Angst, während der Nacht noch mehr von Miss Carla zu hören zu bekommen, suchte Gabrielle im Schrank nach einem der Unterröcke, die Margery gerade aufgehängt hatte, und drapierte ihn über den Vogelkäfig. Irgendeine Art von Laken über dem Käfig sorgte normalerweise dafür, dass der Papagei den Schnabel hielt. Wenn sie ihre Gedanken nur ebenso leicht zur Ruhe bringen könnte, dann bekäme sie vielleicht etwas Schlaf.
Kapitel 30
In jener Nacht träumte Gabrielle von Drew, wie er sie küsste.
Obendrein schien der Traum ewig zu dauern und er rief nach und nach alle Gefühle wach, die seine echten Küsse in ihr erregt hatten. Selbst als sie am nächsten Morgen munter wurde, war der Traum ihr noch äußerst lebhaft in Erinnerung. Schuld war sicher dieser verflixte Kuss in der Kabine. Zudem fühlte sie sich nach dem Erwachen von dem Traum beinahe ebenso verwirrt wie von Drews Versuch, sie mit Worten zu verführen.
Nein, ganz so schlimm war es doch nicht. Nichts konnte ihrer Ansicht nach so peinlich und ärgerlich sein wie das, was Drew vorletzte Nacht mit ihr angestellt hatte.
Zum Frühstück ging Gabrielle zu ihren »Offizieren«.
Drew sah ein wenig mürrisch aus, offenbar ärgerte er sich über ihren Auszug aus der Kabine. Er tat so, als ignoriere er sie alle und starrte Löcher in die Luft. Allerdings war es ihm nicht ganz gelungen, seine Überraschung zu verbergen, als sie die Kabine betrat. Nach dem gestrigen Tag hatte er wohl nicht mehr damit gerechnet, sie noch einmal wieder zu sehen.
Die Vertrautheit zwischen Gabrielle und ihren Freunden, ihr Gelächter, Richards ständige Neckereien, die gelegentlich
– und dieser Morgen bildete keine Ausnahme – nicht salonfä-
hig waren, waren jedoch nicht zu überhören. Alles harmloses Geplänkel, nur konnte er das nicht wissen. Die Männer be-handelten sie sicherlich nicht mit dem Respekt, der Drews Meinung nach einem »Kapitän« gebührte. Doch Gabrielle fand es unmöglich, allein ihm zu Gefallen während der gesamten Fahrt ein respektvolles Verhalten zu fordern, wo doch der lockere Ton unter Piraten normal war und mit Nathan ebenso geredet wurde.
Außerdem fühlte sie sich in den Hosen, die sie auf Margerys Geheiß trug, nun ebenfalls ganz ungezwungen. Vielleicht hatte Drew sie deshalb so erstaunt angestarrt. Womöglich hatte er noch nie eine Frau in Hosen gesehen.
Gabrielle ging nicht mit, als ihre Freunde die Kabine verlie-
ßen. Sie blieb an dem Tisch sitzen, an dem sie gefrühstückt hatten, streckte die Beine aus und schlug sie übereinander.
Dann lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte demonstrativ noch die Hände im Nacken. So sah es ganz bestimmt nicht danach aus, als wäre sie geblieben, um ihre Mahlzeit zu beenden.
Drew gab sein gespieltes Desinteresse auch sofort auf. Sobald die anderen den Raum verlassen hatten und sie allein waren, hefteten seine dunklen Augen sich auf Gabrielle. Er hatte offenbar vor, sie mit seinem starren Blick zu verunsichern, aber das ließ Gabrielle nicht zu. Diesmal sollte die Unterhaltung, die sie führen wollte, ganz in ihrem Sinn verlaufen. Sie würde ihm keine Gelegenheit geben, wieder mit seinen Spiel-chen anzufangen.
Gabrielle streckte sich ein wenig, sodass ihre Brüste sich besser unter der dicken Baumwollbluse abzeichneten. Nur ein ganz klein wenig. Es sollte nicht zu offensichtlich sein, dass sie ihm zeigte, was sie zu bieten hatte. Dass sie unter ihrer schwarzen Bluse nicht fest verschnürt war, hatte allerdings nichts mit Drew zu tun. Schließlich gab sie nicht vor, ein Mann zu sein. Auch hatte sie nie versucht, ihren Busen zu verstecken, wenn sie ihre so genannte Schiffskluft anzog. Die Blusen, die sie trug, bestanden aus so dickem Stoff, dass sie mit einem dünnen Leibchen darunter durchaus schicklich waren.
Dann warf sie Drew einen gespielten Unschuldsblick zu und fragte: »Hältst du mich wirklich für einen Feigling, nur weil ich beschlossen habe, lieber wieder nackt zu schlafen –
wie üblich – und mir eine Kabine gesucht habe, in der ich das kann?«
Drew schaute derart verblüfft drein, dass Gabrielle am liebsten losgeprustet hätte, doch sie hielt ihre Züge unter Kontrolle. In Anbetracht dessen, was er ihrem Papagei beigebracht hatte, stellte sie eine berechtigte Frage. Die Einzelheiten hätte sie sich natürlich sparen können.
Nachdem Drew sich wieder gefasst hatte, sagte er: »Du hättest auch hier nackt schlafen können.«
Gabrielle
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