Malory
gekommen, daß es vernünftig sein könnte, eine Zeitlang im Haus zu bleiben. Jetzt aber war sie dankbar, daß er nicht weiter in sie drang, was ihre Laune beim Frühstück betraf.
»Selbstverständlich«, stimmte sie ohne weiteres zu.
»Möchtest du in den nächsten Tagen irgendwohin?«
Gezwungen
zu
sein,
seine
Gesellschaft
zu
ertragen?
»Nein«, versicherte sie rasch.
»Ausgezeichnet. Aber falls du deine Meinung ändern solltest, sag mir bitte Bescheid.«
Mußte er so verdammt vernünftig und entgegenkommend sein? »Bist du noch nicht angezogen?«
»Ehrlich gesagt. . . «
»Malory!« tönte es gedämpft durch die Tür, doch im nächsten Moment stürmte George Amherst ins Zimmer.
»Tony! Du wirst...«
Roslynn war nicht interessiert daran, was er ihrem Mann so dringend mitzuteilen hatte. Sie rannte an ihm vorbei zur Tür hinaus, wobei sie ein kurzes Stoßgebet zum Himmel sandte, daß Anthony nicht wieder versuchen möge, sie mit Gewalt zurückzuhalten.
Sie hastete die Treppe hinab und stürzte ins Empfangszimmer. Frances stand mit dem Rücken zu ihr vor dem weißen Marmorkamin, drehte sich aber gleich darauf um, und Roslynn schnürte es vor Mitleid die Kehle zu, als sie die großen Tränen in den Augen ihrer Freundin sah.
»O Frances, es tut mir ja so leid«, rief Roslynn, während sie Frances in die Arme schloß. »Das werde ich Anthony nie verzeihen. Er hatte kein Recht, sich einzumi-schen und. . .
Frances trat etwas zurück und fiel ihr ins Wort: »Ich werde heiraten, Ros.«
Roslynn stand wie vom Blitz getroffen da. Nicht einmal das strahlende Lächeln, das Frances ihr schenkte, ein Lächeln, wie sie es von ihr seit Jahren nicht gesehen hatte, konnte sie davon überzeugen, daß sie richtig ge-hört hatte. In Frances' Augen standen doch Tränen...
»Warum weinst du denn dann?«
Frances lachte zittrig. »Ich kann nichts dagegen machen. Ich war so töricht, Ros. George sagt, daß er mich liebt, daß er mich immer geliebt hat.«
»Und du - du glaubst ihm?«
»Ja.« Und noch einmal, mit größerem Nachdruck: »Ja!«
»Aber, Fran...«
»Sie versuchen doch nicht etwa, sie umzustimmen, La-dy Malory?«
Roslynn zuckte zusammen, und als sie sich umdrehte, erntete sie den unfreundlichsten Blick, den sie je von einem Mann bekommen hatte. Georges graue Augen waren eisig, und in seiner kalten Stimme hatte ebenfalls ei-ne unüberhörbare Drohung mitgeschwungen.
»Nein«,
murmelte
sie
unbehaglich.
»Es
würde
mir
nicht im Traum...«
»Gut!« Seine finstere Miene machte schlagartig einem bezaubernden
Lächeln
Platz.
»Denn
nachdem
ich
jetzt
weiß, daß sie mich noch liebt, lasse ich nicht zu, daß jemand einen Keil zwischen uns treibt.«
Seine
auf
Frances
ruhenden
Augen
strahlten
sehr
viel Wärme aus, und sie verstand, daß er mit ›jemand‹
auch sie selbst meinte und genoß seine subtile Warnung.
Sie umarmte die völlig verwirrte Roslynn und flüsterte ihr glücklich ins Ohr: »Verstehst du jetzt, warum ich nicht an seiner Aufrichtigkeit zweifle? Ist er nicht wunderbar?«
Wunderbar?
Dieser
Mann
war
ein
Weiberheld,
ein
Wüstling. Wie oft hatte Frances sie davor gewarnt, solchen Männern auch nur ein Wort zu glauben, und jetzt wollte ihre Freundin ausgerechnet jenen heiraten, der ihr das Herz gebrochen hatte.
»Ich hoffe, du verzeihst uns, wenn wir uns jetzt verdrücken, meine Liebe«, sagte Frances. Errötend fügte sie hinzu: »George und ich haben soviel zu besprechen.«
»Ich bin sicher, sie hat vollstes Verständnis dafür, daß wir jetzt allein sein möchten, Franny«, kommentierte George, während er einen Arm um Frances' Taille legte und sie ungehörig eng an sich zog. »Schließlich ist sie ja selbst jung verheiratet.«
Roslynn schnappte laut vernehmlich nach Luft, aber die beiden hörten zum Glück nichts, weil sie sich selig in die Augen schauten. Irgendwie mußte sie aber doch ein paar passende
Worte
herausgebracht
haben, denn
eine
Minute später stand sie allein im Zimmer und starrte wie betäubt zu Boden, während in ihrem Innern ein solcher Aufruhr herrschte, daß keines der widerstreitenden Ge-fühle die Oberhand gewinnen konnte.
»Ich
sehe,
daß
du
die
frohe
Botschaft
vernommen
hast.«
Roslynn wandte sich langsam zur Tür, und einen Augenblick lang vergaß sie beim Anblick ihres Mannes alles andere.
Er
trug
einen
eleganten
smaragdgrünen
Satin-
rock und ein schneeweißes Spitzenjabot, und er hatte
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