Malory
hätte Anthony in diesem Alter gekannt. Er hatte vermutlich genauso ausgesehen wie Jeremy, aber sie konnte sich nicht vorstellen, daß er jemals so leicht zu durchschauen gewesen war, auch nicht im zarten Alter von siebzehn Jahren.
»Weiß dein Vater Bescheid?«
»Selbstverständlich.«
In
ihr
erwachten
unerklärlicherweise
mütterliche
In-
stinkte. »Was verstehst du eigentlich unter einer wilden Party?«
Jeremy zwinkerte ihr ausgelassen zu. »Es werden keine Damen da sein, aber jede Menge Frauen, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Weiß dein Vater das auch?«
Er lachte über ihre mißbilligende Miene. »Er hat gesagt, daß er vielleicht selbst vorbeikommt.«
Roslynn
errötete
unwillkürlich.
Ihr
stand
natürlich
nicht das Recht zu, Einwände zu erheben, wenn sein Vater einverstanden war. Der Junge war ja auch alt genug.
Aber
ihr
Sohn
würde
sich
mit
siebzehn
noch
nicht
mit
Frauen amüsieren,
dafür
würden sie
unbe-
dingt sorgen - falls sie jemals einen Sohn haben wür-de.
Sie griff seufzend nach ihrer Handtasche »Nun, dann wünsche ich dir...« Sie brach mitten im Satz ab. Nein, sie würde ihm keine schönen Träume wünschen, denn sie konnte einfach nicht billigen, daß er in diesem Alter schon
amourüse
Abenteuer
hatte,
obwohl
sie
zugeben
mußte, daß er schon wie ein erwachsener Mann aussah.
»Also, dann bis bald.«
»Gehst du aus?« erkundigte er sich besorgt. »Ist das nicht gefährlich?«
»Nein.« Sie lächelte. »Dein Onkel hat dafür gesorgt, daß es nicht mehr gefährlich ist.«
»Sollen wir dich vielleicht irgendwohin begleiten? Derek muß jeden Moment hier sein.«
»Nein, draußen wartet schon eine Kutsche, und einer der Diener begleitet mich, obwohl ich nur zur Bank möchte. Sei ein braver Junge, Jeremy«, fügte sie zu seinem Kummer noch hinzu.
Die Bank war noch geschlossen, als die Kutsche dort ankam. In ihrer Hast, nur ja schnell aus dem Haus zu kommen, hatte sie nicht bedacht, daß es sehr früh am Morgen war. Um nicht einfach herumsitzen zu müssen, ließ sie den Kutscher mehrmals langsam um den Block fahren, bis die Bank endlich ihre Tore öffnete.
Es nahm mehr Zeit in Anspruch, als sie gedacht hatte, das Konto für Anthony zu eröffnen. Ein Grundkapital von hunderttausend Pfund und monatlich weitere zwanzig - das stand ihm gemäß ihrem Ehevertrag zu. Und wenn er so hoch verschuldet war, wie sie inzwischen glaubte, so müßte ihm dieses Geld sehr zustatten kommen. Ob er ihre Mitgift zu schätzen wissen würde, war allerdings eine andere Frage. Die meisten Männer wären sehr erfreut. Aber sie war sich nicht so sicher, daß Anthony zu diesen Männern gehörte.
Als sie die Bank nach einer knappen Stunde verließ, war auf der Straße eine Prügelei im Gange, ein ungewohnter Anblick in diesem vornehmen Stadtviertel. Sowohl ihr Kutscher als auch der Diener, der sie begleitete, verfolgten interessiert das Geschehen.
Plötzlich legte sich ein Arm von hinten um ihre Taille und schnürte ihr förmlich die Luftzufuhr ab. Gleichzeitig stach etwas Hartes und Spitzes sie in die Seite.
»Keine krummen Sachen diesmal, sonst hab'n Sie ein scharfes Messer zwischen den Rippen!«
Sie gab keinen Mucks von sich. Im ersten Moment war sie viel zu überrascht, und dann jagte seine Drohung ihr schreckliche Angst ein. Am hellichten Tag, direkt vor einer Bank - es war einfach unglaublich. Ihre Kutsche stand keine zwei Meter entfernt, aber der Kerl führte sie um den Wagen herum, während die allgemeine Aufmerksamkeit noch immer der Prügelei zugewandt war.
Ob es sich dabei um ein Ablenkungsmanöver handelte?
Wenn Geordie dahintersteckte. . . Doch nein, das konnte ja gar nicht sein. Anthony hatte ihn doch sehr nach-drücklich gewarnt, und da würde er es nicht wagen -
oder doch?
Sie wurde in eine alte Kutsche gestoßen. Die dunklen Vorhänge
waren
zugezogen,
und
ihr
Entführer
schloß
hinter sich die Tür. Als sie sich vom Boden erheben wollte, wurde sie grob daran gehindert.
»Machen Sie kein' Ärger, M'lady, dann passiert Ihnen auch nix«, sagte er, während er ihr ein Tuch in den Mund stopfte und ihr die Hände auf dem Rücken fesselte. Nach kurzer Überlegung fesselte er ihr vorsichtshalber auch die Füße. Mit einem unsympathischen Lachen zog er den Dolch aus ihrem Schuh. »Mit dem werden Sie nich' noch mal auf mein' Bruder losgehn können.«
Roslynn
stöhnte
inwendig.
Er
war also
einer
jener
Männer, die schon einmal versucht hatten, sie zu
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