Malory
entführen - einer jener Männer, die für Geordie arbeiteten. Ihr Vetter mußte verrückt sein, daß er noch immer versuchte, sie in seine Gewalt zu bekommen. Er wußte jetzt, daß sie verheiratet war. Was, zum Teufel, wollte er von ihr?
Ihr brach unwillkürlich der Angstschweiß aus, als ihr die einzig mögliche Antwort einfiel. Geordie wollte sich da-für rächen, daß sie seine Pläne durchkreuzt hatte.
Der Mann stieg aus und ließ sie einfach auf dem Boden liegen. Gleich darauf setzte sich das alte Gefährt in Bewegung.
Roslynn drehte sich auf die Seite und versuchte sich aufzusetzen und den Knebel mit der Zunge aus ihrem Mund zu schieben. Es war ihr fast schon gelungen, als die Kutsche langsamer wurde und sie den Kutscher rufen hörte: »Das reicht, Tom!«
Eine Sekunde später wurde die Tür aufgerissen, und ein Mann sprang herein. Sie erkannte in ihm jenen Kerl, den sie damals auf der Oxford Street mit dem Messer verletzt hatte. Seine Lippe war blutig, und er war völlig außer Atem. Die Prügelei war also tatsächlich ein Ablenkungsmanöver
gewesen.
Dieser
kleine
Ganove
hatte
wahrscheinlich
irgendeinen
harmlosen
Passanten
ange-
griffen, nur damit es niemandem auffiel, daß sie von seinen Komplizen entführt wurde. Und sie hatte sich ja auch wie ein Lamm zur Schlachtbank wegführen lassen, eingeschüchtert durch die Messerspitze an ihren Rippen.
Tom hob sie grinsend hoch und setzte sie auf den Sitz.
Er schob ihr den Knebel wieder fest in den Mund, wobei er amüsiert den Kopf schüttelte. Zumindest schien er nicht nachtragend zu sein. Er betrachtete sie grinsend, und schließlich lachte er lauthals.
»Mann o Mann, Sie sind ja wirklich 'ne Wucht und eigentlich viel zu schade für das Arschloch, von dem wir unsere Mäuse kriegen.« Sie versuchte vergeblich, trotz des Knebels etwas zu sagen. »Ich dacht' schon, wir würden Sie nie schnappen, aber jetzt hat's doch noch geklappt.
Seien Sie vernünftig, dann passiert Ihnen nichts.«
Mit ganz ähnlichen Worten hatte sie auch sein Bruder gewarnt. Und wenn sie nun nicht ›vernünftig‹ war? Was würde
dann
geschehen?
Eine
dumme
Frage,
nachdem
sie an Händen und Füßen gefesselt war und auch nicht um Hilfe schreien konnte.
Kapitel 38
Tom warf sie sich über die Schulter wie einen Mehlsack, um sie ins Haus zu tragen, nachdem Wil, der kleinere der Brüder, sich vergewissert hatte, daß die Luft rein war. Roslynn schöpfte sofort neue Hoffnung. Man hatte sie also irgendwohin gebracht, wo jemand sie sehen und den
Männern
unbequeme
Fragen
stellen
könnte.
Viel-
leicht bräuchte sie nur einmal laut zu schreien, um befreit zu werden.
Da sie mit dem Kopf nach unten hing, sah sie nur sehr wenig von dem Gebäude, in das sie gebracht wurde.
Aber auf der anderen Straßenseite erspähte sie Häuser mit
Sandsteinfassaden.
Dies
schien
eine
gediegene
Wohngegend zu sein.
Geordie war also in ein besseres Stadtviertel umgezogen. Kein Wunder, daß es Anthony soviel Zeit und Mü-
he gekostet hatte, ihn ausfindig zu machen. Aber es hatte
sowieso
nichts
genutzt,
daß
er
Geordie schließlich
doch gefunden hatte. Und sie war Geordie in die Falle gegangen, eben weil sie sich in Sicherheit geglaubt hatte.
Verdammt, warum mußte Geordie aber auch ein so sturer
Schotte
sein,
den
nichts
zum
Aufgeben
bewegen
konnte?
Sie wurde eine Treppe hinaufgetragen, Wil klopfte an eine Tür, noch einige Schritte, und dann wurde sie auf einem
Stuhl
abgesetzt.
Ihre
gefesselten
Handgelenke
schmerzten nach der langen Fahrt, aber sie ignorierte diesen Schmerz und suchte wütend nach Geordie.
Als sie ihn neben dem Bett stehen sah, ein gefaltetes Hemd in der Hand, offenbar beim Packen eines Koffers, der offen auf dem Bett lag, starrte sie ihn völlig perplex an. Wären die karottenroten Haare nicht gewesen, sie hätte ihn nicht erkannt.
Sie schnitt unwillkürlich eine Grimasse. Er sah einfach schrecklich aus. Er sah so aus, als gehörte er ins Bett, anstatt Koffer zu packen. Großer Gott, was hatte Anthony nur mit ihm gemacht! Geordies ganzes Gesicht war dick geschwollen und blau und grün verfärbt. Ein Auge war völlig zugeschwollen, und auch das andere ließ sich nur einen Spalt weit öffnen. Seine Nase war offenbar gebrochen. Seine Lippen waren blutverkrustet. Und er hatte mehrere
häßliche
Platzwunden
auf
den
Wangen
und
über den Augen.
Er starrte die beiden Ganoven, die sie hergebracht hatten, wortlos an, und Wil und Tom starrten
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