Malory
Samt stand ihm großartig. Roslynn konnte ihn sich in den hellen Farben eines Dandy nicht vorstellen. Er wäre dann noch mehr aufgefallen - falls das überhaupt möglich war.
»Er ist höllisch attraktiv, nicht wahr?«
Roslynn
zuckte
verlegen
zusammen,
weil
sie
dabei
ertappt worden war, wie sie ihn anstarrte. Aber ihr Verhalten
fiel
überhaupt
nicht
auf,
denn
alle starrten
ihn an.
Sie bemühte sich, für Lady Eden eine gleichgültige Miene
aufzusetzen,
und
sagte
achselzuckend:
»Finden
Sie?«
»O ja. Auch seine Brüder sehen fantastisch aus, aber für mich war Tony immer der attraktivste.«
Es versetzte Roslynn einen leisen Stich, diese bezaubernde junge Frau mit ihrem schwarzen Haar und den lebhaften blauen Augen von ›Tony‹ reden zu hören. Was hatte er vorhin gesagt? ›Tony für meine Freunde.‹
»Sie kennen ihn offenbar sehr gut?«
Regina grinste. »Ich kenne die ganze Familie sehr gut.«
Roslynn errötete, was ihr selten passierte. Sie war erleichtert über diese Antwort, ärgerte sich aber über sich selbst, weil ihre Frage so scharf geklungen hatte. Wenn die Viscountess mit den Malorys gut bekannt war, würde sie sich über Roslynns Interesse an Sir Anthony bestimmt amüsieren. Es wäre vernünftiger, ein anderes Gesprächsthema zu finden. Aber das brachte sie nicht fertig.
»Er ist furchtbar alt, nicht wahr?«
»Nun, wenn Sie fünfunddreißig sehr alt finden...«
»Erst fünfunddreißig?«
Regina konnte nur mit Mühe ein Lachen unterdrük-ken.
Diese
Frau
war
verzweifelt
bemüht,
irgendeinen
Fehler an Tony zu entdecken. Es war nicht zu übersehen, daß er eine neue Eroberung gemacht hatte, ohne es darauf anzulegen. Oder legte er es doch darauf an? Es war wirklich sehr undiplomatisch von ihm, Lady Roslynn so anzustarren. Wenn sie nicht dicht danebenstünde, käme die arme Frau sofort ins Gerede.
Ja, er verhielt sich entschieden taktlos, speziell, da er ja nie ernste Ansichten hatte. Sie fand Lady Roslynn sehr sympathisch und wollte ihr Kummer ersparen.
»Er ist ein eingefleischter Junggeselle«, warnte Regina deshalb. »Mit drei älteren Brüdern gab es für ihn nie einen Grund zu heiraten, müssen Sie wissen.«
»Sie brauchen es nicht so vornehm zu umschreiben.
Ich weiß, daß er ein Weiberheld ist.«
»Er zieht den Ausdruck ›Frauenkenner‹ vor. . . «
»Dann liebt er offenbar ebenfalls vornehme Umschrei-bungen!«
Regina lachte. O ja, sie mochte diese Frau. Roslynn heuchelte
zwar
Desinteresse
an
Tony,
aber
ansonsten
war sie herzerfrischend offen.
Roslynn riskierte wieder einen verstohlenen Blick auf Sir Anthony. Sie ärgerte sich, ihn mit Mr. Malory angere-det zu haben, aber woher hätte sie wissen sollen, daß er dem Adel angehörte? Sein ältester Bruder war der Marquis von Haverston, der zweite ein Graf, der dritte das schwarze
Schaf,
und
Anthony
ein
berüchtigter
Lebe-
mann. Oh, sie hatte in kürzester Zeit sehr viel über ihn gehört. Warum konnte sie über ihre Heiratskandidaten nicht ebenso viel erfahren?
»Tanzt er nicht?« hörte Roslynn sich ungewollt fragen.
»O doch, er ist ein fantastischer Tänzer, aber er wagt nicht,
hier
jemanden
aufzufordern.
Wenn
er
es
täte,
müßte
er
anschließend
mit
einigen
Dutzend
anderer
Frauen tanzen, nur damit kein Gerede entsteht. Aber dieser lästigen Pflicht will Tony sich verständlicherweise nicht unterziehen, nur um einmal mit der Frau seiner Wahl tanzen zu können. Deshalb kann er solche Bälle nicht ausstehen. Sie zwingen ihn zur Diskretion, und ihm ist allein schon dieses Wort zuwider.«
»Ist er wirklich so berüchtigt, daß es den Ruf eines Mädchens ruinieren würde, mit ihm zu tanzen?«
»Ich habe Derartiges schon erlebt, und es ist wirklich eine Schande, denn ein gar so schlimmer Schürzenjäger ist er nun auch wieder nicht. Nicht, daß es ihm jemals an weiblicher
Gesellschaft
fehlen
würde.
Aber
er
hat
es
auch nicht darauf abgesehen, ganz London zu verführen.«
»Nur einen nicht unbeträchtlichen Teil?«
Regina sah ihr Grinsen und stellte fest, daß Roslynn über Anthonys Ruf eher amüsiert als schockiert war.
Vielleicht interessierte sie sich doch nicht für ihn. Oder sie sah vernünftigerweise ein, daß es eine hoffnungslose Sache wäre.
»Klatsch kann sehr grausam sein, meine Liebe.« Im Flüsterton fügte sie hinzu: »Tatsache ist, daß ich mich nicht traue, von Ihrer Seite zu weichen. Es ist wirklich ungezogen von ihm, Sie so
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