Malory
schottischen Dialekt. »Sie haben mich für kurze Zeit von meinen Sorgen abgelenkt, aber Sie dürfen sie jetzt nicht vergrößern. Ich brauche einen Ehemann, keinen
Geliebten,
und
Sie
eignen
sich
nicht
dazu. . .
wirklich ein Jammer!«
Sie hatte es wieder fertiggebracht, ihn so zu überraschen, daß er sie losließ. Er blickte ihr nach, bis sie im Haus verschwand, und verspürte das lächerliche Bedürfnis, ihr zu folgen. Aber er tat es nicht. Langsam breitete sich auf seinem Gesicht ein Lächeln aus. Mit welchem Bedauern sie ›wirklich ein Jammer‹ gesagt hatte. . . Mit diesen Worten hatte sie, ohne es zu wissen, ihr Schicksal besiegelt.
Kapitel 6
»Du hast soeben einen Meister am Werk bewundern können, Connie.«
»Mir kam es eher wie eine Komödie der Irrungen vor«, erwiderte der große Rotschopf. »Eine verpaßte Gelegenheit ist nun mal eine verpaßte Gelegenheit, daran ist nicht zu rütteln.«
Anthony lachte, als die beiden Männer zu ihm traten.
»Spionierst du mir nach, Bruderherz?«
James stützte sich mit den Unterarmen auf der Bank-lehne auf und grinste Anthony zu. »Ich konnte nicht widerstehen, um ganz ehrlich zu sein. Aber ich befürchtete schon,
peinlicherweise
Zeuge
einer
delikaten
Situation
zu werden.«
»Das war ziemlich unwahrscheinlich. Ich habe sie eben erst kennengelernt.«
»Und
wieder
verloren«,
stellte
Conrad
Sharp
mit
Nachdruck fest.
Anthony warf dem ersten Steuermann einen mörderischen Blick zu, der in der Dunkelheit allerdings ohne je-de Wirkung blieb.
»Nun, Connie, daraus kannst du ihm wirklich keinen Vorwurf
machen«,
mischte
sich
James
begütigend
ein.
»Sie hat schließlich so rührend an sein weiches Herz ap-pelliert, noch dazu in diesem seltsamen Schottisch. Und dabei hatte ich schon gedacht, daß sie gleich schwach würde.«
»Jedenfalls ist sie ein tolles Weib«, sagte Conrad genie-
ßerisch.
»Ja, geradezu atemberaubend«, bestätigte James.
Anthony hatte genug gehört. »Und sie ist für euch beide tabu.«
James lachte. »Du hast sie wohl für dich reserviert, Junge? Vorsicht, sonst könnte ich das als Herausforderung auffassen.«
Anthony spürte, wie ihm das Blut zu Kopfe stieg. In vergangenen
Jugendzeiten,
als
sie
zusammen
London
unsicher gemacht hatten, war es für sie ein beliebter Sport gewesen, um dieselbe Frau zu werben und zu wetten, wer sie zuerst verführen würde. Aber Anthony war mit den Jahren ruhiger geworden. Er hatte sich ausgetobt und so viele Abenteuer gehabt, daß er fast schon etwas übersättigt war. Eine Frau um jeden Preis besitzen zu müssen - dieses Gefühl hatte er vorhin zum erstenmal seit sehr langer Zeit verspürt.
Er hätte aber beim besten Willen nicht sagen können, ob auch James ruhiger geworden war. Dazu kannte er ihn jetzt zu wenig. Früher waren sie enge Verbündete gegen ihre zwei Brüder gewesen, die gut zehn Jahre älter waren. Aber das war, bevor James die verrückte Idee gehabt hatte, ein Piratenleben auf hoher See zu führen.
In den vergangenen zehn Jahren hatte er James nur selten gesehen, und das letzte Wiedersehen hatte mit einem Eklat geendet, der dazu führte, daß James von allen drei Brüdern enterbt wurde - nachdem sie ihn ordentlich verprügelt hatten, weil er Reggie in jenem Sommer aufs Meer mitgenommen hatte. Aber jetzt war James in Gnaden wieder in den Familienkreis aufgenommen worden. Er hatte die Piraterei aufgegeben, und vermutlich würde er sogar wieder in England seßhaft werden. Aber Anthony hatte keine Ahnung, ob James nur Spaß gemacht hatte oder tatsächlich versuchen wollte, Roslynn Chadwick zu erobern.
In diesem Augenblick sah er sie durchs Fenster, und ihm entging nicht, daß auch sein Bruder sie gesehen hatte. »Verdammt, James, was hast du hier überhaupt zu suchen?« rief er erbittert.
Sein um ein Jahr älterer Bruder richtete sich zu voller Größe auf, was aber nichts daran änderte, daß er etwas kleiner als Anthony war. Kein Mensch konnte auf den Gedanken kommen, daß sie Brüder waren. James war blond und hatte grüne Augen wie die meisten Malorys.
Nur Anthony, Regina, Edwards Tochter Amy und Jeremy hatten die schwarzen Haare und kobaltblauen Augen ihrer Großmutter geerbt, die angeblich Zigeunerblut in den Adern gehabt hatte.
»Wenn
du
mir
eine
etwas
ausführlichere
Nachricht
hinterlassen hättest, hätte ich nicht meinen Abend ruinieren
und
hierherkommen
müssen«,
antwortete
James.
»Und nachdem du mich jetzt daran erinnert hast -
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