Malory
und sich glücklich preisen, daß er keine Notiz von ihr genommen hat.«
»Aber was macht er hier? Das würde mich brennend interessieren.«
»Wahrscheinlich will er seinen Sohn im Auge behalten«, gab Lenore selbstzufrieden zum besten.
»Seinen - was?«
»Schaut euch doch mal den Jungen an, der gerade mit Sarah Lordes tanzt. Er ist das reinste Ebenbild von Sir Anthony, findet ihr nicht auch?«
»Allmächtiger
Gott,
noch
ein
Malory-Bastard!
Diese
Familie sollte sich wirklich mehr vorsehen.«
»Nun ja, der Marquis hat seinen unehelichen Sohn an-erkannt. Ich frage mich, ob Sir Anthony das auch tun wird.«
»Es ist unglaublich! Wie konnten sie das nur so lange geheimhalten?«
»Vermutlich haben sie ihn bis jetzt irgendwo versteckt.
Die
Malorys
scheinen
in
dieser
Saison
verschiedene
Überraschungen auf Lager zu haben. Ich habe gehört, daß der dritte Bruder zurückgekehrt ist.«
»Der dritte Bruder?« mischte sich eine weitere Dame ins Gespräch. »Aber es sind doch nur drei.«
»Lebst du eigentlich auf dem Mond, Lidia?« fragte Lenore honigsüß. »Es sind vier Brüder, und der dritte ist das schwarze Schaf der Familie.«
»Ich dachte immer, das wäre Sir Anthony.«
»Er ist zwar ein Schwerenöter sondergleichen, aber der andere ist viel schlimmer. Oh, ich könnte euch Geschichten über ihn erzählen! Er war jahrelang verschwunden, und niemand weiß, wo er gesteckt und was er gemacht hat.«
»Dann ist es ja nicht verwunderlich, daß ich nichts von seiner Existenz wußte«, verteidigte sich Lidia.
»Hallo!«
Roslynn ärgerte sich über die plötzliche Störung, aber es war wenigstens keiner ihrer jungen Verehrer. Die meisten von ihnen hatten sich zum Glück für eine Weile zum Kartenspielen
zurückgezogen,
was
ihr
die
Gelegenheit
gab, die reiferen Herren ihrer neuen Liste etwas näher kennenzulernen.
Aber
anstatt
sich
dieser
Aufgabe
zu
widmen, hatte sie sich von dem Getuschel ablenken lassen, das überall in Gang gekommen war, sobald Anthony Malory den Ballsaal betreten hatte.
Roslynn hatte sich unauffällig hinter eine Gruppe älterer Damen gestellt und ganz ohne schlechtes Gewissen gehorcht. Sie gestand sich ein, daß das Gesprächsthema sie faszinierte, und sie ließ sich kein Wort davon entgehen. Doch jetzt wollte jemand sich mit ihr unterhalten, was ihr höchst ungelegen kam.
Sie wandte sich notgedrungen Lady Eden zu, versuchte aber gleichzeitig, wenigstens mit einem Ohr den interessanten Geschichten der Damen weiterhin zu lauschen.
»Sind Sie schon müde vom Tanzen?«
Regina
Eden
hatte
einige
Bemerkungen
der
Damen
ebenfalls gehört und amüsierte sich deshalb über Roslynns unverkennbare Unaufmerksamkeit.
»Ich tanze selten, außer mit meinem Mann, und er konnte mich heute abend nicht begleiten.«
»Wie schön!«
Die junge Frau rollte mit den Augen, lächelte und hängte sich bei Roslynn ein. »Kommen Sie, meine Liebe.
Hier ist es schrecklich heiß. Suchen wir uns ein anderes Plätzchen.«
Roslynn
seufzte,
während
sie
weggeschleppt
wurde.
Diese
Lady
Eden
war
wirklich
erstaunlich
energisch.
Und dabei hätte Roslynn nie gedacht, daß sie verheiratet war und sogar schon ein Kind hatte, denn sie sah so aus, als hätte sie noch vor kurzem die Schulbank gedrückt.
Sie war jene Unbekannte, mit der Frances sich unterhalten hatte, als Roslynn vor Lord Bradley geflüchtet war, und nach ihrer Rückkehr aus dem Garten hatte Frances sie mit Regina Eden bekannt gemacht. An die Unterhaltung konnte sich Roslynn allerdings nicht mehr erinnern, weil sie nur an ihre Begegnung mit Malory gedacht hatte.
Lady Eden blieb in der Nähe des Büfetts stehen. Un-glücklicherweise hatte Roslynn von hier aus freie Sicht auf den Mann, der im Augenblick das Gesprächsthema Nummer eins war. Er hatte den Ballsaal nicht betreten, sondern stand auf der Türschwelle zum Garten, eine Schulter an den Rahmen gelehnt, die Arme über der Brust gekreuzt.
Seine
Blicke
schweiften
langsam
durch
den Raum - bis er Roslynn entdeckte und ihr jenes strahlende Lächeln schenkte, das ihr Herz dahinschmelzen ließ.
Ihn im hellen Licht zu sehen, war ein überwältigendes Erlebnis.
Er
hatte
einen
vollendet
gebauten
Körper
-
breite
Schultern,
eine
schmale
Taille,
schlanke
Hüften,
lange Beine. Im Garten war ihr nicht aufgefallen, wie groß er war. Aber seine ungeheuer sinnliche Ausstrahlung war ihr aufgefallen.
Sein Abendanzug hatte einen perfekten Schnitt, und der schwarze
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