Maltas Geheimnis
Der Gang wirkte nun noch unheimlicher auf Alisha.
»Das ist gut«, flüsterte ihr Raul ins Ohr, »jetzt sind wir von unseren elektrischen Helmfackeln unabhängig. Steck dir auch zwei, drei Fackeln in den Gürtel und lass uns weitersuchen. Die Zeit läuft uns davon.«
Sie sah, wie er in die Spinnweben griff und mehrere Fackeln herauszog. Danach presste er sich einige unter den Gürtel, zündete eine weitere an und begann, den Gang entlang zu gehen. Schnell hob sie auch einige Fackeln auf, steckte sie weg und folgte ihm – was sollte sie sonst auch machen. Alleine zurückzubleiben hätte sie nicht ausgehalten.
Es ging wieder schier endlos einen ähnlichen Gang wie zuvor entlang. Immer wieder mussten sie Gesteinsbrocken, die von der Decke herabgestürzt waren, ausweichen. Der einzige Unterschied war, dass dieser Gang immer häufiger durch gemauerte Wände, Stützpfeiler und Deckenbögen verändert worden war. Teilweise filigran, teilweise grobschlächtig. Einmal mussten sie sogar eine gewölbte, lang gezogene Steinbrücke benutzen. Der Spalt, der sich unter ihnen dabei auftat, war so dunkel und tief, dass sie kein Ende erkennen konnten. Alisha überkam eine Gänsehaut als sie sich vorstellte, dass Axel und Jens vielleicht dort hinunter gestürzt waren.
»Ob sie hier wohl abgestürzt sind?«, äußerte Alisha ihre Bedenken laut, als sie auf der anderen Seite des Spaltes standen.
»Unsinn«, kam Raul prompte Antwort, »die Brücke ist breit genug, die Luft ist auch atemtauglich und deine beiden Extremkletterer müssten eigentlich schwindelfrei sein.«
Trotz seiner beruhigenden Worte holte er eine weitere Fackel aus seinem Gürtel, zündete sie mit der alten an und warf sie in den Felsspalt. Nachdem sie eine Weile geflogen war, verlosch sie mit einem Zischen, das sie sogar in ihrer Entfernung noch sehr deutlich hören konnte.
»Schau mal einer an, da unten ist also ein Wasserreservoir. Das könnte noch mal interessant für die Insel werden«, murmelte Raul vor sich hin, drehte sich um und ging weiter.
Sie waren fast eine gefühlte Stunde unterwegs, als sie im Schein des Fackellichts vor sich einen größeren Raum erkennen konnte. Kurz vor dem Durchgang sah Alisha in Schulterhöhe einen Pfeil an der Wand des Ganges. Er war mit Kreide gemalt und zeigte in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
»Nicht schlecht, deine Freunde«, bemerkte Raul neben ihr und hielt die Fackel dicht an das Zeichen. »Sie markieren die Richtung, in die sie bei ihrem Rückweg gehen müssen. Wirklich clever.«
»Was ist daran clever?«, murmelte Alisha.
»Na, weil sie so nur wenige Zeichen anbringen müssen und dabei gleichzeitig möglich Verfolger verwirren können. Die meisten Menschen würden Zeichen am Beginn eines Weges, an Kreuzungen oder an Gabelungen machen, und zwar in der Richtung, in die sie sich bewegen.«
»An Verfolger haben Axel und Jens bestimmt nicht gedacht, Raul. Allerdings… woher sollen wir denn jetzt wissen, wo sie lang gegangen sind?«
»Stimmt! Das ist nicht ganz einfach«, er nickte leicht und sah sich suchend um, während sie einen größeren Höhlenraum betraten.
- 10 -
Leider war es gar nicht so einfach herauszufinden, welchen Weg Axel und Jens genommen hatte, denn es gab gleich ein halbes Dutzend Möglichkeiten, weiter zu gehen. Mehrere schwere, eisenbeschlagene Holztür befanden sich an den Enden der vielen Gänge. Zwei Türen standen weit geöffnet, vier Türen waren halb geschlossen. Auch der Gang, aus dem sie gekommen waren, war mit einer solchen Tür versehen. Sie stand offen.
Der Raum selbst war mindestens fünf Meter hoch und es tropfte an etlichen Stellen von der Decke. In der Mitte des Raumes befand sich ein runder Ziehbrunnen. Von Seilen, Ketten oder einem Eimer, mit dem man hätte Wasser hoch holen können, war allerdings nichts zu sehen. Der Brunnen war größtenteils mit Spinnweben bedeckt, die im Fackelschein fein schillerten. Der Boden war insgesamt sehr ordentlich mit Steinplatten ausgelegt.
Der Raum schien leer zu sein, bis auf… Alisha stockte der Atem und ihr wurde plötzlich speiübel. Ganz dicht am Brunnen lagen sie. Tote. Halb an den Brunnen gelehnte, aber auch liegende Skelette. Kleidungsutensilien, Schmuckstücke und Waffenteile lagen dazwischen verteilt. Wie mit einem hauchfeinen Netz war alles überzogen. Die Überreste der verwesten Körper zeichneten noch deutlich die ursprüngliche Körperform nach.
Es wirkte fast als befänden sich diese Menschen in einem sehr tiefen
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