Maltas Geheimnis
Raum dadurch an, dass das Licht ihrer Lampen in der Ferne nicht mehr von den Tunneldecken reflektiert wurde, sondern sich in Dunkelheit verlor.
Und wieder entdeckte sie den Kreidepfeil am Eingang.
Fast hätte Alisha laut gejubelt. Sie waren auf der richtigen Spur.
Raul zündete eine seiner Fackeln an und sie liefen weiter.
Was sie jedoch am Ende des Ganges erwartete, verschlug ihr Atem.
Ein riesiger, lang gestreckter Saal lag vor ihnen. Unzählige formschöne Säulen, teilweise mit herrlichen Verzierungen versehen, waren im zuckenden Schein der Fackel zu erkennen, die Raul nach oben hielt. In den Halterungen rings herum befanden sich weitere Fackeln, die Raul eine nach der anderen anzündete. Der Boden schien aus reinstem Marmor zu bestehen. Die Decke sah aus wie eine natürliche Felsformation, allerdings pechschwarz und übersät mit goldenen Sternen, in denen sich das Licht der Fackeln funkelnd widerspiegelte. Einige riesige Statuen standen rings herum, sowie etliche Tische und Sitzbänke, allesamt offensichtlich aus Marmor. Vasen, Kannen, Schüsseln und alle möglichen anderen Gegenstände standen so herum, als hätte hier gerade noch ein Festmahl stattgefunden. Ein Kunstwerk ohne Gleichen. Und wieder sah sie mehrere Skelette auf dem Boden, und eine, wie aufgebahrt, sogar auf einem der Tische liegend. Sie lagen alle noch unter ihren feinen Spinnenkleidern, welche vor kurzem an einigen Stellen etwas zerstört wurden.
Es war schaurig schön. Wieder kam Alisha der Gedanke, dass sie aussahen als würden sie nur schlafen, wären da nicht die Zeichen des Verfalls.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie wahr, dass sich Raul kurz bückte und etwas Glänzendes, Handtellergroßes aufhob. Er putzte den Fund kurz an seinem T-Shirt ab und hielt es Alisha sichtlich stolz entgegen »Das muss einer der Sterne sein, die hier oben am Himmel gehangen hat. Fällt dir etwas auf?«
Sie nahm den Stern, wog und betrachtete ihn sehr genau. Er musste aus purem Gold sein und hatte neun Zacken – allerdings befand sich in der Mitte kein Kreuz.
»Der Neunstern, aber ohne Kreuz. Schön, und was ist daran jetzt so besonders?«
Sie hatten doch inzwischen schon unzählige Mal den Neunstern gesehen.
»Dieser Stern wurde vor 1530 gefertigt, behaupte ich«, erklärte ihr Raul, nun wieder ganz in Fremdenführermanier. »Warum, willst du bestimmt wissen? Weil das Kreuz fehlt. Das gab es auf dieser Insel nämlich erst seit der Übernahme durch die Malteser.«
»Aha, aber ich denke das ist bloß reine Spekulation!«, widersprach sie und gab ihm den schweren Stern zurück. Sie spürte dabei, dass der Stern an den Rändern geschliffen scharf war, wie eine Rasierklinge.
»Ist es eben nicht. Der Beweis ist die Gürtelschnalle, die ich vorhin eingesteckt habe. Sie muss fast 1000 Jahre als sein und trägt ebenfalls das Zeichen des Neunsterns - und auch bei ihr fehlt das Kreuz in der Mitte.«
»Was willst du mir damit sagen? Komm mal auf den Punkt!«, sagt Alisha genervt.
»Das weiß ich selbst noch nicht. Aber es muss sich hier um etwas absolut Sensationelles handeln. Glaub mir: Absolut sensationell!«
Er hatte die letzten Worte fast gebrüllt und seine Stimme tat ihr plötzlich in den Ohren weh, obwohl sie keineswegs schrill gewesen war. Sie fühlte sich irgendwie allein gelassen. Sie wollte weg – sie wollte raus aus der Höhle.
Nur ein leises »Aha, sensationell…« murmelnd, ging sie langsam weiter. Tiefer in den Saal hinein. Ihr fiel auf, dass der Boden kaum mit Staub oder anderem Schmutz bedeckt war. Auch feuchte Stellen schien es nicht zu geben. Sogar die zuvor allgegenwärtigen Spinnweben waren kaum vorhanden. Die Wände waren eindeutig gemauert und wiesen mehrere Bögen auf, die wiederum mit reich verzierten, schweren Holztüren versehen waren. Teilweise waren sie verschlossen, teilweise leicht geöffnet.
Sie näherte sich eine der geöffneten Türen und warf einen Blick in den dahinter liegenden Raum. Es schien sich um einen Wohnraum zu handeln. Eindeutig waren ein Bett, mehrere Stühle, ein Tisch und im Hintergrund sogar ein massiver Schrank aus Holz zu erkennen. Alles ordentlich und sauber. Ein neunarmiger Kerzenhalter stand auf dem Tisch, über und über mit Wachs bekleckert, aber ohne Kerzen. In einer der Ecken lagen zahlreiche Pechfackeln.
»Die Kerzen scheinen abgebrannt zu sein«, flüsterte ihr Raul ins Ohr. Er war, ohne dass sie es gemerkt hatte, neben sie getreten und schien ihre Blickrichtung wahrgenommen zu haben. Bei
Weitere Kostenlose Bücher