Maltas Geheimnis
Lichtstrahlen wie gespenstische Zeigefinger an den Wänden und auf dem Boden entlang. Schnell zog sie ihren Kopf zurück, als ein solcher Lichtstrahl nur knapp an der Öffnung vorbeiglitt.
Raul zuckt neben ihr ebenfalls zurück.
Nachdem der Lichtstrahl wieder verschwunden war, schob Alisha ihren Kopf nur so weit über den Rand, dass sie zwar sehen, aber von unten nicht gesehen werden konnte. In dieser Position konnte sie sogar hören, was dort unten gesprochen wurde. Die Felswände warfen die Geräusche so zurück, dass es sich anhörte als spräche jemand in einen großen metallenen Eimer.
»Das gibt´s doch nicht«, sagte eine Männerstimme in reinstem Englisch, »wo steckt sie denn? Sie kann doch nicht verschwunden sein. Es gab doch keinen anderen Weg, oder?«
»Vielleicht haben wir eine Abzweigung übersehen«, meldete sich eine andere Männerstimme, in maltesischem Englisch. »Das hier ist eindeutig eine Sackgasse.«
»Könnte sie nach da oben geklettert sein?«, fragte die erste Stimme wieder und leuchtete wieder dorthin, wo sich Alisha und Raul an den Felsrand klammerten.
»Unsinn, dann müsste sie ja fliegen können«, antwortete nun eine dritte Stimme. Ein heiseres Lachen folgte dieser Feststellung. »Wir müssen sie irgendwo unterwegs verloren haben.«
»Haben wir nicht«, berichtigte eine Stimme, die Alisha irgendwie bekannt vorkam. »Hier steht eine Öllampe, und die ist verdammt neu und in Dochtnähe sogar noch etwas warm. Sie war hier, nur wo sie hin ist, ist mir schleierhaft. Es muss hier irgendwo eine geheime Tür geben und die müssen wir unbedingt finden.«
Ein kurzes Gemurmel folgte daraufhin. Dann sprach wieder dieselbe Stimme.
»Gut! Abzug Männer! Die können uns hier nicht mehr entwischen. Sie sitzt in der Falle!«. Wieder folgten einige Lacher.
Die Lichtfinger unter ihnen verschwanden, so lautlos wie sie gekommen waren.
»Puh, das war knapp«, stöhnte Raul neben ihr, »und sie scheinen davon auszugehen, dass nur du allein hier bist und deine Freunde suchst. Gut, dass ich darauf geachtet habe, keine Spuren zu hinterlassen.«
»Und was nun?«
»Hmm! Zurück können wir nicht mehr – also müssen wir weiter den Gang runter. Hoffentlich finden wir bald deine Freunde, damit wir uns nur noch auf unsere Verfolger konzentrieren müssen.«
Als Raul seine Helmlampe wieder einschaltete, tat Alisha es ihm nach. Sie befanden sich in einem schmalen Gang, der sich in der Dunkelheit verlor. Das Loch zum Felsendom bildete den Eingang. Auf dem Firststein war wieder das Zeichen des Neunsterns eingraviert. Dieser war jedoch noch gut erhalten und nicht so abgetragen wie der, den sie am Höhleneingang bei den Klippen gesehen hatten.
»Der Verfall scheint hier oben bedeutend weniger groß zu sein«, sinnierte Raul neben ihr, »und bis hierher scheint die Anlage auch nach dem Erdbeben noch genutzt worden zu sein.«
»Wie kommst du denn darauf?«
Raul leuchtete in eine Felsennische neben dem Gang und wies auf einen kleinen Stapel länglicher Stäbe. Danach wanderte der Lichtstrahl zu einer weiteren, etwas größeren Nische, auf der gegenüberliegenden Seite. Dort standen mehrere kastenförmige Gebilde, an denen Gürtel zu hängen schienen. Daneben lagen aufgerollt mehrere dicke Seile und einige, an Stangen angebrachte Haken.
»Hier oben liegen mehr als ein Dutzend unbenutzter Pechfackeln. Die wurden hier bewusst abgelegt. Unten gab es keine einzige. Außerdem scheint es sich um Seile zu handeln, die über den Balken im Felsendom geworfen wurden, um Waren hochzuziehen und mit Enterhaken heranzuholen. Mit diesen Tragekästen, die wohl früher mal auf dem Rücken getragen wurden, dürften die Waren dann weitertransportiert worden sein. Wenn der Tote am Eingang verschüttet wurde, als Ware hereinkam, dann muss diese irgendwie nach dem Unglück weggeschafft worden sein.«
»Muss nicht sein«, überlegte Alisha, während sie nun ihrerseits die kleinere Nische ausleuchtete, »es kann sich bei dem Toten auch nur um einen Wächter gehandelt haben, der sich bei dem Erdbeben in Sicherheit bringen wollte und dabei verschüttet wurde.«
Nur bei genauerem Hinsehen erkannte sie, was Raul meinte. Spinnweben beeinträchtigten die Sicht. Bedächtig bückte sie sich und zog eine Fackel mit spitzen Fingern heraus, immer darauf bedacht, keine Spinnwebe zu berühren. Raul holte aus seiner Hosentasche ein Feuerzeug und zündet sie an. Die Fackel entzündete sich überraschend schnell und versandte flackernd ihr Licht.
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