Maltas Geheimnis
war begeistert. So aus der Vogelperspektive betrachtet wirkte der Raum feierlich und beeindruckend.
Sie war sich sicher, dass man sie hier oben nicht erkennen konnte, wenn man in dem unteren Saal stand. Sie begann sich vorzustellen, wie vor etlichen Jahrhunderten irgendwelche Malteserritter an dieser Stelle standen und das gesellige Treiben unten beobachteten. Oder vielleicht überwachten?
Sie wäre bestimmt noch länger träumend so stehen geblieben, wenn sie nicht Rauls Stimme neben sich wahrgenommen hätte »Wir sollten hier übernachten, Alisha. Erstens ist es hier einigermaßen sauber und spinnwebfrei, zweitens können wir hier unsere Verfolger hören, wenn sie dort unten ankommen sollten. So ist wenigstens eine ruhige Nacht gesichert.«
Als hätte Raul magische Worte gesprochen, fiel Alisha ihre bleierne Müdigkeit wieder ein und ihre Beine, die sie zuvor nicht mehr gespürt hatte, taten höllisch weh. Sie nickte nur und schaute sich nach einem Platz um, wo sie sich hinlegen konnte. Der kleine Balkon war groß genug und trocken. Hier dürften sie eine Zeit lang sicher sein. Sie kramte aus ihrem Rucksack alle Kleidungsstücke, die sie noch zusätzlich mitgenommen hatte, breitete sie als Unterlage auf dem Boden aus und setzte sich darauf.
»Was meinst du, Raul, wie lange werden die Fackeln dort unten noch brennen?«
Raul schien nachzudenken.
»Die meisten werden im Laufe der Nacht verlöschen, aber einige werden bestimmt noch etwas länger brennen. Um sicher zu gehen, dass wir später noch Licht haben, zünden wir am besten noch ein paar Fackeln hier oben an und werfen sie hinunter. Einverstanden?«
Das war offensichtlich eine rhetorische Frage gewesen, denn Raul begann schon, seine Fackeln hervorzukramen. Sie erhob sich wieder und schaute zu, wie er mehrere brennende Fackeln weit in den Saal hinein schleuderte. Funken sprühend flogen sie nach unten. Eine schlug auf dem Marmortisch auf, auf dem ein Skelett ausgestreckt lag. Sie sah den Schädel vom Tisch rollen und aus ihrem Blickfeld verschwinden. An seiner Stelle blieb die flackernde Fackel liegen.
Schnell setzte sie sich wieder auf. Die Szene mit dem Schädel spielte sich noch einige Male in ihrem Kopf ab und sie fühlte sich plötzlich hundeelend. Sie wollte nur noch schlafen.
Sie bemerkte, wie Raul neben ihr ebenfalls einige Kleidungsstücke auf den Boden warf und sich zu ihr setzte.
Er sah sie von der Seite an. In seinem Blick lag ein Ausdruck von Verlangen. Unwillkürlich musste sie an die letzte Nacht denken und ihr wurde ganz mulmig.
»Durch diesen fürchterlichen Gestank, den diese blöden Fackeln verbreiten, krieg ich Kopfschmerzen. Ich schlaf jetzt lieber, vielleicht sind sie morgen wieder weg. Gute Nacht, Raul.«
Sie kam sich so blöd vor, nach diesem Spruch. Immer wenn in Filmen derartige Szenen vorgekommen waren, hatte für sie der Film verloren – und nun spielte sie selbst eine derartig miese Rolle – aber sie wollte nicht nochmal in die Versuchung kommen, Axel fremdzugehen.
Sie legte sich hin, drehte Raul den Rücken zu und schob den Rucksack unter ihrem Kopf zurecht. Der Boden war zwar hart, aber sie war so erschöpft, dass sie es kaum spürte und auch die feuchte Kälte, die von den steinernen Wänden ausging, nicht wahrnahm.
»Nagut… Dann schlaf gut, Alisha. Ich pass´ hier schon auf«, hörte sie wie aus weiter Ferne noch Rauls Stimme, als sie schon das Gefühl hatte, geistig in Watte zu versinken.
- 11 -
»Wach auf, Alisha!«, flüsterte Raul ganz dicht an ihrem Ohr. »Wir müssen weiter. Aber sei leise.« Wo war sie?
Was war los?
Warum war es hier so dunkel?
Orientierungslos sah sie sich um. Dann plötzlich kamen die Erinnerungen zurück. Axel. Jens. Verfolger. Ein Schatz. Träge richtete sie sich auf. Sie wollte schlafen. Eben hatte Raul doch noch »Schlaf gut« gesagt und jetzt weckte er sie schon wieder. Was war los?
»Pscht! Sei ganz leise, Alisha«, hörte sie ihn erneut sagen. »Du hast fast zehn Stunden wie ein Stein geschlafen und inzwischen haben wir unten im Saal Besuch bekommen.«
Diese Worte ließen sie aus ihrer Lethargie aufschrecken und nur Rauls warnender Blick und sein Zeigefinger, den er auf seine Lippen presste hielten sie davon ab, laut aufzuschreien.
»Komm vorsichtig an die Brüstung, dann kannst du sie sehen.«
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. So schnell sie konnte, rappelte sie sich hoch. Sämtliche Knochen schienen ihr weh zu tun, derartig steif waren sie. Sie beugte sich nach
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