Maltas Geheimnis
die über Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte erfolgt sein müssen.«
Wieder fühlte Alisha Beklommenheit in sich aufsteigen. Die Art wie Raul sprach, zeigte ihr, dass er langsam immer besessener wurde, von den Geheimnissen, die diese Höhlen bargen. Sie wollte nur zwei Geheimnisse lösen: Wo waren Axel und Jens und wie kam man wieder raus aus diesem dunklen Verlies heraus?
Sie sah, wie Raul wieder die Gürtelspange, mehrere Ringe und den Stern aus der Tasche holte. Er setzte sich an einen der Pfeiler und starrte die glänzenden Schmuckstücke unentwegt an. Den Ort, die Zeit und Alisha schien er völlig vergessen zu haben. Und auch die Gefahr, die hinter ihnen lag.
Unruhig ging Alisha zu der einzigen Tür, die von dem Gang abging und versuchte sie zu öffnen. Erst nach mehreren Versuchen gelang es ihr, sie wenigsten so weit zu öffnen, dass sie in der Lage war, die Fackel durch den schmalen Spalt zu stecken. Mit ausgestrecktem Arm leuchtete sie in den Raum hinein.
Sie war sich im ersten Moment nicht sicher, ob sie bereits phantasierte. Das war unmöglich! Normalerweise sah man so etwas höchstens in kitschigen Filmen Ein kleiner Raum, mit einem mächtigen Kreuzgewölbe versehen, lag vor ihr. Er war gefüllt mit massiven, teils vergoldeten Holztruhen, Rüstungen und Waffen. Dazwischen lagen Papiere und Schriftrollen verteilt. Sogar ein paar Bücher sah sie zwischen den Rüstungen herumliegen. Einige Truhen waren geöffnet. Kelche, Kreuze, Münzen und Schmuck in Hülle und Fülle quollen daraus hervor.
Das hier war ein sensationeller Fund, das wusste sie augenblicklich – aber auch ein gefährlicher.
Am liebsten hätte sie gejubelt. Am liebsten wäre sie hineingestürmt und hätte alles angefasst. Aber was dann? Würde sie dem Wahn des Schatzes dann genauso verfallen wie Raul? Wenn er diesen Fund sah, würde er bestimmt nicht mehr weiter wollen. Für einen kurzen Moment wollte sie dem Drang nachgeben, hineinzugehen und sich die Taschen voll zu stopfen. Aber dann würden die Verfolger sie erst recht nicht mehr am Leben lassen. Der verdammte Neunstern war bestimmt für bestimmte Personen ein eindeutiger Hinweis auf diesen Schatz hier gewesen, sonst hätten sie nicht alle Hebel in Bewegung gesetzt um diese Höhle zu finden.
Es wurde höchste Zeit, diesen Ort zu verlassen. Alisha zog ihren Arm aus dem Spalt und schob die Tür mit aller Kraft zu. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Raul immer noch wie in Trance auf dem Boden hockte und vor sich hin murmelte.
»Wollen wir nicht weitergehen, Raul?«, rief sie ihm zu und bewegte sich in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Vermutlich waren Axel und Jens nicht in diesem Gang. Er führt ja nirgendwo hin. Also, komm jetzt. Bitte!«
Ihre Stimme klang forsch und bestimmt. Vielleicht vergaß Raul so die Tür, die sich in diesem Höhlengewölbe befand. Er durfte sie nicht öffnen, sonst waren Axel und Jens verloren.
Raul stand ächzend auf, steckte die Schmuckstücke wieder in seine Taschen und streckte sich kurz.
»Ja, ist wohl besser so. Was befindet sich in dem Raum, in den du hineingeschaut hast?«
»Verdammt, er hat es also doch mitbekommen«, ging es ihr durch den Kopf und sie spürte, wie sie rot wurde. Glücklicherweise war es so dunkel, dass Raul ihre veränderte Gesichtsfarbe nicht bemerkt hatte. »Och, eigentlich nichts. Der war bis auf einen verrotteten Tisch und zwei Stühlen leer. Also völlig uninteressant. Hast du denn in der Zeit etwas herausgefunden?«
Hoffentlich half diese Ablenkungsfrage. Sie sah jedoch, wie sich Raul trotzdem ganz langsam zu der Tür umdrehte »Dafür hast du ganze zwei Minuten gebraucht, dieses »Eigentlich Nichts« zu bestaunen?«
»Das war´s dann wohl«, dachte Alisha. Sie hielt die Luft an und wollte schon die Augen schließen, um nicht mit ansehen zu müssen, wie Raul die Tür öffnete.
Doch er blieb einige Meter vor der Tür stehen, musterte sie kurz und zuckte nur die Achseln. Dann kam wieder auf sie zu geschlendert. »Ich hab mal nachgerechnet: Zwischen 1530 und 1693 liegen 163 Jahre. Das was wir hier inzwischen an baulichen Maßnahmen gesehen haben, muss bedeutend länger gedauert haben. Zum einen, weil die Technik damals keine schnellen Sprünge erlaubte, zum anderen, weil das Bauen ganz offensichtlich klammheimlich und unter schwierigsten Bedingungen abgelaufen sein muss. Hätte die Öffentlichkeit davon gewusst, würde es irgendwo Aufzeichnungen darüber geben. Tut es aber nicht.«
Alisha atmete tief
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