Maltas Geheimnis
können. Ganz entgegen ihrem eigenen Leitspruch: Tuitio fidei et obsequium pauperum«, warf lachend der Hoteldirektor ein.
Sie hatte den Eindruck, dass er die Situation in vollen Zügen genoss. Sein dicker Bauch wackelte und seine Wangen waren gerötet. Den lateinischen Spruch hatte Alisha allerdings nicht ganz verstanden. Raul flüsterte ihr die Übersetzung leise zu, als habe er ihre Gedanken lesen können. »Wahrung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen.«
»Unsinn«, widersprach Dr. Magri vehement, »ich sagte Ihnen doch schon einmal, dass Sie keine Ahnung haben, Conzent!«
Der Direktor ignorierte diese Bemerkung und wedelte stattdessen in Rauls Richtung. »Fahr fort, Bursche!«
Schon wieder rieselte etwas bröseliger Staub von der Decke herab und verteilte sich teilweise auf Rauls Kopf, als dieser weiter sprach »Erst dachte ich auch, dass es sich hier um Mitglieder des Malteserordens handelt, doch dann fand ich einen neunzackigen Stern, auf dem kein Kreuz abgebildet war und eine Gürtelspange, die ungefähr 1000 Jahre alt sein muss und wahrscheinlich von einem orientalischen Goldschmied angefertigt wurde. Außerdem stellte sich mir die Frage: Wer sammelte vor 1530 so viele Schriftrollen und Urkunden? Was steht in diesen Dokumenten? Es würde mich nicht wundern, wenn diese Schriften von großer Bedeutung wären!«
»Das ist ja alles schön und gut!«, rief der Hoteldirektor dazwischen, »aber was hat es denn jetzt nun mit den Toten hier auf sich? Wenn es keine Malteser waren was dann?«
Alle Blicke lagen jetzt auf Raul. Eine lange Pause entstand, in der Alisha nur Axels langsames Atmen hörte. Als Raul dann sprach durchschnitt seine Stimme den Raum wie ein Glockenschlag.
»Pauperes commilitones Christi templique Salomonici Hierosalemitanis, arme Ritter Christi und des Tempels von Salomon zu Jerusalem. Auch bekannt als… der Orden der Tempelritter!«
Seine Worte verfehlten nicht ihre Wirkung. Ein Raunen ging durch die Höhle und der Hoteldirektor sprach eindringlich mit Jacomo und Michael. Alisha vergaß für einen Moment die Gefahr, in der sie alle schwebten und gab sich ihrem Erstaunen hin. Die Tempelritter. Sie kannte diesen Orden nur aus Filmen oder Büchern. Raul jedoch war noch nicht fertig mit seinem Vortrag und hob seine Stimme um gegen das Gemurmel in der Höhle anzukommen.
»König Balduin II., damaliger König von Jerusalem, begrüßte die Gründung dieses Ordens, die so um 1118 oder 1119 stattgefunden haben soll, da sein Zweck darin bestand, neben einem keuschen und gehorsamen Leben in Armut die Pilger auf dem Weg zu den geheiligten Stätten der Christenheit zu sichern. Wir sprechen von der Zeit der Kreuzzüge. Was das allerdings mit der Zahl »Neun« zu tun haben soll, verstehe ich noch nicht ganz… Ich kann es mir nur folgendermaßen erklären: Hugo de Payens und weitere acht französische Ritter, also neun Personen gründeten diesen Orden. Neun Jahre später, auf dem Konzil von Troyes wurde er anerkannt. Die Ordensregeln sind bis auf eine Ausnahme in »Neunerblöcken« zusammengefasst. Bei ihrer Gründung gelobten die Gründer, dass die ersten neun Jahre keine neuen Mitglieder in den Orden aufgenommen werden dürfen. Die Neun scheint diesem Orden angehaftet zu sein.«
»Da muss ich aber widersprechen«, fiel Dr. Magri Raul ins Wort. »Der Orden wurde von acht Personen gegründet. Hugo de Champagne kam erst 1125 dazu.«
»Da haben sie Recht. Aber wenn man nicht nur den gefundenen Gründungsaufzeichnungen glaubt, sondern bedenkt, dass Hugo de Payens so um 1104 gemeinsam mit seinem Onkel Hugo de Champagne in Jerusalem fünf Jahre lang nach uralten Schriften suchte und dort der Plan für den Orden entstand, dann muss man davon ausgehen, dass der Neffe den Onkel bei der späteren Gründung bereits als Gründungsmitglied festgelegt hatte. Die »Neun« war diesen Leuten heilig und wichtig.«
»Sie haben Recht, Raul! Vielleicht war sein Onkel sogar der Initiator der Ordensgründung!«, ergänzte Dr. Magri und strahlte sichtbar über das ganze Gesicht.
Typisch Wissenschaftler, dachte Alisha. Ein Wort fällt in ihrem Fachchinesisch und rein ins Elfenbeintürmchen, egal, was um sie herum stattfindet. Dass sie sich in Lebensgefahr befanden, schienen sie längst nicht mehr zu interessieren.
Besorgt sah sie zu dem Hoteldirektor hinüber. Der jedoch blieb ganz ruhig stehen und schien nur zu lauschen. Als nicht weiter gesprochen wurde, bemerkte er nur grinsend »Nur das zu beweisen, wäre bei
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