Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
auf die Decke zum Spielen gelegt und stundenlang über Filme geredet.
Und wie München hatte dann natürlich auch Berlin wieder seine Tücken. Als Noah 13 Monate alt war, kehrte die Familie zurück in die Hauptstadt. Nach Mitte, unweit von meinem Wohnkiez. Und aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass wir Prenzlauer-Berg-Mamis (Ich nehme mich da überhaupt nicht aus!) mit unserem Bioladen-Dinkel-Früherziehung-versus-Waldorf-Tick auch echt anstrengend sein können.
Zurück in Berlin beschloss Tanya, die vor Jahren sogar schon einmal eine bis heute gut laufende Accessoires-Boutique in den Hackeschen Höfen eröffnet und wieder verkauft hatte, nach einem Jahr Babypause in ihrem ursprünglichen Metier Film und Fernsehen wieder durchzustarten.
Denn das war es doch, was man jetzt von ihr erwarten würde. Doch stimmte das überhaupt? Und viel wichtiger: Wollte sie ihr altes Leben mit Jetset, monatelangen Drehs und Abendveranstaltungen in Galaroben überhaupt zurück?
Tatsächlich hatte Tanya, die Schauspielerin, nach einem Jahr mit Baby Noah eine Sinnkrise. Die Rollenangebote waren während der Elternzeit weniger geworden, über viele Dinge dachte sie mittlerweile anders.
Zwar stand sie für einen Film und die ARD-Serie Alles Klara vor der Kamera, aber sie stellte sich dabei immer wieder die Frage: Wo geht’s jetzt lang? Du bist Ende 30 und hast ein Kleinkind. Wohin geht die Reise jetzt beruflich?
Bis sie es eines Tages wusste. Und dann auch machte. Aus Tanya Neufeldt wurde die Schriftstellerin, Kolumnistin und Bloggerin Lucie Marshall. Eine Neuerfindung ihrer selbst!
Lucie Marshall ist eine Kombination aus dem Namen von Tanyas schottischer Großmutter und dem ihrer Schwester. Das Pseudonym erlaubt es Tanya durch die Distanz, die es schuf, Dinge zu überspitzen. Zum Beispiel, wenn sie von dem Gefühl von Freiheit erzählt, ohne ihr Kind ein Hotelzimmer zu haben und endlich mal wieder in Ruhe und so lange sie will, auf der Toilette sitzen zu können. Oder von der romantischen Valentinstagsnacht mit ihrem Mann, die damit endet, dass ihr Einjähriger ihr den BH und das neue Negligé vollkotzt, oder davon, wie sie einen lustigen Auftritt in Moonboots und Bademantel im Nobelhotel Hyatt hinlegte, oder, oder … Wenn Tanya ihre Lucie von der Kette lässt, die erklärt, wie ihre Brüste zur Nahrungsquelle wurden oder ihr »kleiner Mann« eine Tyrannenherrschaft begründet, lache ich bei jedem ihrer Posts mindestens einmal laut. Das Geheimnis ihres Erfolges erkläre ich mir so: Tanya steht zwar beruflich in der Öffentlichkeit, aber durch die Figur der Lucie und natürlich auch ihr Auftreten im Alltag wirkt sie nicht nur umgänglich, sondern auch burschikos und selbstironisch und überhaupt nicht abgehoben oder arrogant. Im Gegenteil: Sie begrüßt jeden ihrer mittlerweile Hunderten von Facebook-Fans mit Vornamen, um ihn willkommen zu heißen. Sie lacht in ihrem Image-Clip für die geplanten Lucie-Marshall-Episoden mit sich selbst um die Wette und ist im Gespräch eine sehr gute Zuhörerin.
Im nächsten Jahr wird Tanya ein Buch veröffentlichen, in dem sie von den ersten zwei Jahren mit ihrem Sohnemann schreibt, die im Blog ausgespart wurden, weil dieser ja im Hier und Jetzt spielen soll. Schreiben, so sagt Tanya, ist ihre neue Leidenschaft. Die Leidenschaft, die das Interesse an der schnelllebigen Schauspiel- und Showbranche nicht abgelöst, aber etwas verdrängt hat, und mehr und mehr von ihrer Zeit einnimmt. »Ich mag meinen Beruf immer noch sehr, aber ich habe keine Lust mehr, meine Zeit an Sets von Filmen zu verschwenden, die ich mir nachher nicht anschauen mag«, sagt sie ganz direkt. Und deshalb, erzählt sie, drehe sie jetzt auch eine eigene Web-Serie, die das Leben der Lucie Marshall in zweiminütigen lustigen Episoden zeigt.
Also, fassen wir zusammen: Tanya schreibt jeden Tag und muss hin und wieder zu Drehs, manchmal sogar ins Ausland. Häufig sogar tagelang. Wie kriegt eine Mutter, pardon, ein gleichberechtigtes Elternpaar, das hin?
Tanyas Antwort ist simpel, und kurz zusammengefasst enthält sie die Schlagworte Großfamilie, Organisation wie in einem Bienenstock und auch mehr als ein paar Euro von ihrer Gage, die natürlich für den Babysitter draufgehen.
Im besten Fall muss Tanya für ein paar Tage wegfliegen und ihr Mann David ist zu Hause, bringt Noah zur Kita,kümmert sich um alles. Ist er ebenfalls nicht da, zieht Tanyas Bruder Florian meist für ein paar Tage komplett bei ihnen ein. Flankiert von
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