Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
Klara vor der Kamera – und das ist auch nur ein kleiner Auszug aus ihrer Vita. Eigentlich müsste ich sie doch auf den ersten Blick erkennen!
Ich wickelte mich beim Reingehen aus meinem Schal,schaute mich angestrengt um und erblickte eine Frau, die so aussah wie auf den Google-Fotos, wenn man »Tanya Neufeldt« eingegeben hat. Sie saß an einem Ecktisch, hatte ihre Jacke noch an und war hochkonzentriert über die Tastatur ihres Laptops gebeugt. Wenn ich tippe, dann macht es gewöhnlich: »Klack, Klack, Klaaaack, Klack …«. Bei ihr machte es: »Klackklackklack …«, was mich faszinierte.
»Hallo, du bist Tanya«, sprach ich sie einfach mal an.
Sie lächelte sofort und strich sich durch ihre etwas zerzauste, allerdings sehr aufwendig gestufte Kurzhaarfrisur.
»Ja! Hallo! Also …«
»Schon gut«, unterbrach ich sie. »Wir warten ja noch auf Isa. Maxime und ich holen uns erst einmal etwas zu trinken und dann setzt du dich einfach zu uns, wenn du fertig bist.«
Tanya lächelte wieder, diesmal erleichtert: »Alles klar.«
Ich ging zum Tresen, bestellte eine lauwarme Milch für Maxime und eine Cola light für mich, und während ich die zwei Getränke mit Baby auf dem Arm zum Couchtisch balancierte, wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, wann wir alle diese Dinge wie Bloggen oder Schreiben machen, worüber sich die Welt dann wundert, das wir das auch noch geschafft haben. Jetzt, verdammt! Genau, jetzt, in solchen Situationen! Wenn die Freundin noch auf sich warten lässt, der Termin sich um 15 Minuten verschiebt, das Kind mittags überraschend eine halbe Stunde länger schläft. Diese Zeit effektiv zu nutzen, war uns schon in Fleisch und Blut übergegangen.
Wäre Maxime nicht bei mir gewesen, der natürlich bespaßt werden wollte, hätte ich es genau wie Tanya gemacht.Effizienz wie gezwungenermaßen nur Eltern sie kennen, das sei hier mal gesagt!
»Ich setz’ mich mal zu Dir«, unterbricht Tanya meine Gedanken.
In diesem Moment manövriert auch Isa ihren Kinderwagen zur Tür herein und wir sind endlich komplett.
Es wird ein Mami-Talk mit Cappuccino, Anekdoten und irgendwann auch Kinderkeks an der Sessellehne. Schnell stellt sich raus, dass Tanya ganz in der Nähe des Cafés wohnt. Sie lebt mit ihrem Mann David, der für eine der wichtigsten deutschen Kommunikationsagenturen arbeitet, in einem dieser hübschen Berliner Altbauhäuser, die weniger nachbarschafts-anonym als hippiesque sein wollen. In Tanyas Haus haben alle der Familien Kinder.
»Entweder sind alle nachmittags bei mir und wollen spielen und Spaghetti, oder wir besuchen die Nachbarskinder«, erzählt sie.
Gelebtes Großstadtdschungel-Idyll. Tanyas Sohn Noah geht mittlerweile in die Kita, und Tanya arbeitet neben dem Schreiben wieder in ihrem Beruf als Schauspielerin. Und mehr noch: Sie schreibt ein Buch, ist Kolumnistin bei der Tageszeitung taz und bloggt als ihr erfundenes Alter Ego Lucie Marshall über ihre Erlebnisse als Mutter. Über das Leben, das sie heute mit Noah führt, nachdem sie, wie sie selber sagt, jahrzehntelang ein eigenständiges, unabhängiges Leben als viel herumreisende Frau geführt hat.
Heute ist natürlich vieles sehr anders. Als Tanya schwanger wurde, war sie 37 Jahre alt und mit ihrem Mann David bereits einige Jahre glücklich verheiratet. Die beiden hatten sich immer Kinder gewünscht, und eines Tages war es dann soweit. Für Tanyas Schauspielberuf bedeutete dasSchwangerenglück allerdings von heute auf morgen die berufliche Vollbremsung. Dahinter stecken vor allem Gründe, die viel mit Murphy’s Law zu tun haben: »Das Leben ist für 98 Prozent der Schauspieler ein Auf und Ab. Mal hat man tierisch viel zu tun, dann wieder monatelang Ruhe. Die ersten Monate mit noch unsichtbarem Kind kam nix und kaum hatte ich eine Plautze, kamen die sexy Liebhaberin-Angebote«, erzählt sie.
Tanya musste also viele Rollenangebote absagen, weil man der Verführerin natürlich nicht einfach so eine Schwangerschaft ins Skript dichten kann. Sie selbst sah das mit gemischten Gefühlen. An manchen Nachmittagen kuschelte sie sich in aller Seelenruhe auf die Couch, sah die x-te Wiederholung von Hart aber Herzlich und streichelte ihren Bauch. Dann wieder hatte sie plötzlich die Befürchtung, ihr Leben, wie sie es kannte, könnte vorbei sein. So ging das bis zu Noahs Geburt.
Und darauf folgte das, was man das Leben nennt. Und Mutterliebe. Diese Art von Liebe, die mit der Geburt eines winzigen schlummernden Neugeborenen gerne über
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