Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
Konzept weiterzuverkaufen. Ähnlich wie bei den großen bekannten Restaurants. Aber was bei den Großen funktioniert, lässt sich eben auch im Kleinen stemmen und mit Glück zu Geld machen.
Christin ist keine BWLerin und will es auch gar nicht sein. Aber für das Apfelkind und ihre zukünftigen Läden hat sie ein komplett durchdachtes Geschäftsmodell entwickelt und sie dem Green Franchise verschrieben – sprich Cafés, die Obst und Gemüse aus der jeweiligen Region anbieten und für ihre Produkte nur faire Arbeitsbedingungen akzeptieren. Dazu kommt noch ein Kinderhilfsprojekt, in das zehn Prozent aller Einnahmen fließen. Christin ist halt cool.
Sie sagt weder bei mir noch bei ihren anderen Kundinnen etwas, wenn ich für Maxime Trauben aus der Tasche hole oder die andere Mutter für ihre Tochter einen Keks. Aus einigen Berliner Kinder-Cafés kenne ich die großen Schilder an der Kaffeemaschine, die darauf hinweisen, dass der Verzehr von mitgebrachten Speisen und Getränken für Kinder verboten sei, worauf die Kellner dann auch immer ein Auge haben.
Wenn andere Cafés eine Spielgebühr von ein paar Euro erheben, um den Tagesumsatz stabil zu halten, kann ich das sehr gut nachvollziehen, wie sonst sollen all die Kindercafés in meinem Kiez überleben, wenn die Mütter – auch ich mache das manchmal – in zwei Stunden nur ein Getränk trinken.
Nichtsdestotrotz läuft es im Apfelkind anders. Die Chefin besteht allerdings auf ihrem Konzept, dass das Café kein Ort sein soll, an dem man seine Kinder abgibt, sondern an dem man sich mit ihnen jenseits von Haushalt oder Jobstress einmal in Ruhe beschäftigt. Und deshalb gibt es auch kein WLAN, dafür aber Zeitschriften und viele Tische für Erwachsene und Kinder auf Augenhöhe der Kleinen.
Maxime und mir gefällt es im Apfelkind ziemlich gut. Er konnte toben, Dutzende Stoffmäuse und Äpfel durch die Luft werfen, und ich konnte Kaffeetrinken und hatte ihn dabei über die drei Räume hinweg, die durch hohe offene Türen miteinander verbunden sind, immer im Auge.
Ob ihr Konzept aufginge, wollte ich noch von Christin wissen. Sie nickt. Erzählt mir, dass ja viele Kindercafés nach einem Jahr meistens wieder zumachen, weil sich dasGeschäft leider doch nicht lohnt, dass sie das Apfelkind in diesem Wissen von vorne herein nicht nur als Café, sondern auch als Label für Kinderprodukte konzipiert habe, und dass sie unter der Woche mittlerweile studentische Aushilfen beschäftigt. So oder eben wie in den meisten Kindercafés hätte es für die quasi alleinerziehende Mutter, deren Liebster ja zu der Zeit studienbedingt in Süddeutschland weilte, immer weitergehen können, wäre da nicht sechs Monate nach der Eröffnung ihres Ladens ein Brief eingetroffen, der ihr Geschäft und auch ihr Leben für immer verändert hat.
Im September 2011 erhielt Christin Römer einen Brief von einem Patentanwalt des Weltkonzerns Apple . Darin drohte man ihr in Juristendeutsch mit einer Klage aufgrund ihres Apfel-Logos und der Verwechslungsgefahr ihres Markenzeichens mit dem des berühmten IT-Herstellers. Die gerade frischgebackene Unternehmerin konnte sich keinen Reim auf das Schreiben machen.
War der Brief überhaupt echt? Ernst gemeint? Wollte sie da jemand im wahrsten Sinne des Wortes veräppeln?
Doch da war es eigentlich schon zu spät. Die Sache nahm sofort Fahrt auf und eine Zeit begann, von der sich Christin erst heute langsam erholt. Ein wahrer Medien-Tsunami. Fast jeden Tag besuchten Kamerateams, Zeitungen und Radiosender aus der ganzen Republik und dem Ausland das Café der jungen Mutter. Sie gab täglich Interviews und beantwortete E-Mails von Unterstützern, die ihr Mut zum Durchhalten machten. Als der erste Schock verflogen war und sie realisiert hatte, dass Apple es mit seiner juristischen Drohung ernst meinte, stand für Christin nämlich eine Sache sofort fest: Ich lasse mich von denennicht kleinkriegen. Doch der Kampf hatte natürlich auch seinen Preis. Schlimm war es oftmals.
Zum Beispiel, wenn sie abends nach der Arbeit in ihrem Wohnzimmer, als Lily im Bett, war noch Apfelkind -Tassen verpackte, die Menschen aus aller Welt in ihrem kleinen Onlineshop bestellt hatten, und glaubte, sie würde durchdrehen. Wenn sie daran dachte, dass am nächsten Tag wieder viel mehr Gäste kommen würden als das Café überhaupt fassen konnte, weil alle plötzlich das berühmte Apfelkind sehen wollten und neugierig auf sie waren. Oder wenn sie nachts noch im Bett darüber nachdachte, was
Weitere Kostenlose Bücher