Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
erzählt sie. Sie holt die Karte, auf der in großen Lettern »Streben« steht, aus ihrem Portemonnaie. »Ich habe sie eigentlich immer dabei. Die Wahrsagerin sagte mir damals, dass ich alles erreichen werde, aber auch immer viel dafür tun muss. Und ich denke, so ist es gekommen.«
Julia stammt aus einer Modefamilie. Ihre Eltern waren Einzelhändler für Kleidung, ihre Schwester war eine zeitlang Vice President für Design beim amerikanischen Klamottenlabel Gap .
»Ich glaube, daher habe ich mein Markenverständnis«, überlegt sie. »Ich konnte eine Marke schon immer gut einer Person oder einer Gruppe zuordnen.«
Mit ihrem Mann Ali, der heute Produktdesigner ist, fotografierte sie in Berlin Hunderte von Graffiti und schrieb ihre Diplomarbeit darüber.
»Das Thema war Grafik- und Streetart als globales Kommunikationsmittel«, erinnert sich Julia.
Ein Volltreffer. Ein Engagement bei Circleculture , der namhaften Berliner Agentur für kreative Kommunikation und Marketing folgte. 2008 ging es für Julia dann als Global Lifestyle Marketing Manager für Reebok nach Boston in die USA. Die Eintönigkeit von Büros mit grauen Fassaden, grellen Teppichen und Neonröhren prägte ihren Alltag – und eines Tages auch ein kleiner pinker Strich auf einem Schwangerschaftstest, der alles veränderte.
»Ali und ich hatten noch kurz zuvor in der New Yorker Town Hall geheiratet. Er hatte noch kein Arbeitsvisum für die USA, und so war eigentlich klar, dass ich nun zurück nach Berlin wollte.«
»Hattet ihr die Schwangerschaft geplant?«, wollen Isa und ich wissen.
»Der Klassiker halt: nicht geplant, aber auch nicht verhindert. Und ich war geschockt, dass es so schnell ging«, verrät uns Julia.
»Und der Papa?«, bohre ich nach.
»Ja, der war glücklich.«
Wir nicken zufrieden.
Julia kam also zurück nach Deutschland, wechselte – noch schwanger – zu einer großen Berliner Werbeagentur, bekam ihre Tochter Ella und ging in Elternzeit. Dochnach den ersten Monaten packte es die junge Mama wieder.
»Ich war zu Hause, wippte Ella in einer Babywippe und schrieb mit meiner Freundin Svenja an einem Businessplan für eine eigene PR-Agentur. Eine PR-Agentur, die Labels und Marken in einem urbanen Umfeld vermarktet.«
Der Businessplan war der Grundstein für die beiden Ladys.
»Es ist wichtig, dass du dir gleich von Anfang an klar machst, was du erreichen willst. Außerdem ist der Businessplan wichtig, wenn du Sponsoren für dein Projekt oder Gründerzuschüsse brauchst.«
Das Gute war, dass Julia und Svenja von Anfang an auf ihre alten Kundenkontakte zurückgreifen konnten.
»Wir hatten sofort gut zu tun.«
Spontan muss ich an den milliardenschweren amerikanischen Immobilientycoon Donald Trump denken. Der hat mal gesagt, er investiere nie in etwas, von dem er nichts verstehe. Und fährt damit seit 40 Jahren sehr gut. Auf Deutsch würde man wahrscheinlich sagen: »Schuster, bleib bei deinen Leisten.« Oder deinen Stärken, was vielleicht treffender formuliert ist – denn genau das hat Julia zu der »Big Playerin« gemacht, die sie heute ist. Sie hat über Jahre Kontakte und Erfahrung gesammelt und dann den Sprung in die Selbständigkeit gewagt.
Mir gefällt die Vorstellung, dass Julia das alles in ihrer Elternzeit aufgebaut hat. Das macht mir, mit dem Sohn, der gerade mit seinen Pflaumenhänden die weißen Fensterbänke beschmiert, Mut.
»Das erste Jahr, 2010, war nicht einfach. Ich ging in der neuen Agentur arbeiten, und Ella war noch ein Krabbelkind.«
»Und wie habt ihr das hinbekommen?«, fragt Isa sofort.
»Eigentlich bin ich immer ein paar Stunden arbeiten gegangen, während mein Mann, meine Schwester oder meine Nichte auf Ella aufgepasst haben. Das war recht anstrengend, kein Mittagessen und immer wieder hin und zurück nach Hause. Mal habe ich von ein bis drei Uhr mittags oder von fünf bis abends spät gearbeitet.«
Doch Julia brannte nicht immer nur für ihre Ziele. Eine Zeit lang, kurz bevor sie die Agentur gründete, hatte sie auch ihre Zweifel.
»Als ich bemerkte, dass ich keine PR mehr machen wollte, sagte meine Schwester zu mir, es ist schön, was du willst, aber sieh auch, was du kannst. Darauf habe ich gehört.«
»Und mit dem zweiten Kind, wie wird das?«, frage ich.
»Nun, ich werde erst einmal nach Teos Geburt in Elternzeit gehen. Wir wollten immer ein Geschwisterkind haben und ein drittes … Who knows!«
Julia muss los. Es ist fast zwei Uhr. Zurück an die Arbeit und dann zum Laternenumzug
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