Mama muss die Welt retten - wie Mütter vom Wickeltisch aus Karriere machen
selbst, nachts an der Nähmaschine, pflegte das Haus, war extrem sparsam und tat niemals Milch in ihren Kaffee, sondern nur einen Löffel Milchpulver, um nach all ihren Geburten schlank zu bleiben. Als ihre Nachbarin starb und vier kleine Kinder zurückließ, holte sie sogar einmal die Woche die Wäsche dieser Familie ab, um sie zu bügeln. Denn die Kinder der Nachbarn sollten genauso ordentlich und in sauberen Kleidern zur Schule gehen können wie ihre eigenen.
Und als Isa und ich an der Eingangstür von Katarinas Altbauwohnung unsere Schuhe auszogen, fühlte ich mich an meine französische Oma erinnert. Schon der Flur sah aus wie die Garderobe eines privaten Kindergartens. Ordentlich aufgereiht stehen Kinderschuhe, Gummistiefel und Pantoffeln in mehreren Schuhregalen. Daneben hängen die Matschhosen und die Regenjacken, im Regal liegen die Schals und die Mützen.
Bei Katarina wollte ich hinter das Geheimnis einer funktionierenden Großfamilie kommen, hatte ich mir vorgenommen, und als ich den Flur diskret scannte, schien mir schon eine Menge über die Wichtigkeit von Ordnung, wie es sie bei mir zu Hause niemals gab, bewusst zu werden.
Es ist elf Uhr, Katarinas Jungs sind alle in Schule und Kita.
Mein mittlerweile ein Jahr alter Sohn Maxime, den ich mal wieder zum Interview mitnehmen musste, weil in seiner Kita-Gruppe eine Scharlach-Epidemie ausgebrochen ist, verschwindet gleich im gemeinsamen Spielzimmer der drei kleineren Jungs, wo er zwischen Hunderten von Spielzeugen den wohl schönsten Vormittag seines Lebens verbringen wird.
»Setzen wir uns doch einfach zu ihm, dann kann Maxime toben, und wir können das Interview machen«, sagt Katarina ganz pragmatisch.
Tja, und da sitzen wir nun, und ich beginne, nach und nach die ganze Fülle der Organisation der Vierfach-Mutter zu verstehen. Zuerst fallen mir die Hochbetten der Jungs ins Auge. Vier Betten nebeneinander, alle gemacht wie bei den Heinzelmännchen.
»Warum sind die Betten gemacht?«, frage ich Katarina scherzhaft. »Und warum ist hier eigentlich alles so aufgeräumt?«, wundert sich Isa. »Ach, Mauritz macht morgens gerne die Betten mit mir. Er sieht das eher spielerisch, als seine Aufgabe. Und abends vor dem Schlafengehen wird eben das Spielzeug weggeräumt. Genau wie wenn die Jungs etwas Neues spielen wollen, dann wird erst das Alte wieder verstaut.«
Ich wünschte insgeheim, ich wäre jetzt schon konsequenter mit Maxime, der noch nicht einmal ahnt, dass es das Wort Aufräumen überhaupt gibt. Auch das Zubettgehen der Jungs ist ein tolles Familienritual bei den Boritzkis. Es wird Abendbrot gegessen, Zähne geputzt, die Pyjamas angezogen und vor dem Einschlafen meistens nochMemory mit Mama gespielt. Katarinas Mann räumt immer abends die Küche auf.
Dank sinnvoller Regeln dieser Art gewinnt Katarina auf jeden Fall Zeit, um sich vormittags bis zum frühen Nachmittag, solange die Jungs unterwegs sind, um ihr berufliches Projekt, ihre neue Karriere als Personaltrainerin zu kümmern.
Knapp zehn Jahre lang arbeitete sie als Fitness-Trainerin bei einer großen Sport-Kette. Jetzt hat sie den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Eine Entscheidung, die sie hauptsächlich wegen ihrer Kinder getroffen hat, um flexibler zu sein. »Letzten Winter waren die Jungs häufiger als gewöhnlich krank, und zu Hause ging gar nichts mehr. Das war sehr schwierig mit der Arbeit im Fitnesscenter. Egal, was man sagt oder ob der Chef netterweise immer wieder beide Augen zudrückt, es kommt natürlich nie gut an, wenn ein Mitarbeiter ständig ausfällt. Und mit vier Kindern hatte es halt immer einen erwischt. Mein Mann meinte irgendwann: Ach, mach’ dir doch den Stress nicht mehr, und wir bauen dir was Neues auf.«
Und so kam Katarina auf die Idee, ihre langjährige Erfahrung zu nutzen und Kunden privat zu trainieren. Die Nachfrage in Berlin und auch in ihrer unmittelbaren Umgebung in Pankow war so groß, dass der Start relativ leicht ging. Sehr schnell hatte sie zwei private Kundinnen gewonnen und leitete außerdem einen wöchentlich stattfindenden Kurs in der Volkshochschule und einen in einem Kinderladen in der Nachbarschaft. Die Akquise lief dabei völlig problemlos.
»Ich bin einfach zum Kinderladen hingegangen und habe mich vorgestellt und dort meinten sie: Lustig, dass Sievorbeikommen, wir brauchen tatsächlich gerade jemanden.«
Diese Woche will Katarina unbedingt noch Flyer im Park aushängen, wo bereits morgens immer eine Mütter-Jogger-Gruppe stattfindet,
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