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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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Besonderes, das es in meiner Kindheit bei uns überhaupt noch nicht gab. Anders als im abgeschiedenen Wamba brachte die Durchfahrtsstraße, die hochtrabend auch East African Highway genannt wurde, viele Neuerungen und Ideen aus dem modernen Kenia nach Archer’s Post und das ist bis heute so geblieben.
    Täglich preschten Safaribusse durch unser Straßendorf und wirbelten roten Staub auf, der sich auf die windschiefen Hütten und Häuser legte und in alle Ritzen drang. Anfangs setzte mir diese Staubschicht, die über allem lag, arg zu und ich vermisste die saubere Bergluft von Wamba. Doch mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und genoss das bunte Treiben in Archer’s Post, Treffpunkt für die Samburus aus der gesamten Gegend und Fremde aus aller Welt, die gekommen waren, um sich die herrliche Landschaft und die Tiere in den Nationalparks der Umgebung anzuschauen.
    Die Fahrer, die an den Dukas Pausen einlegten, kamen aus allen Teilen Kenias, meist aus den ärmeren Gegenden, in denen es ansonsten keine Jobs gab. Staunend hörte ich zu, wenn sie von der Glitzermetropole Nairobi, der hohen Kriminalität oder von der muslimischen Küstenstadt Mombasa erzählten. Mir wurde klar, dass es da draußen eine mir völlig fremde Welt gab, in der ganz andere Gesetzmäßigkeiten galten als die unsrigen. Durch ihre Erzählungen wurde mir klar, dass wir Samburus in einer eher abgelegenen Region lebten und noch viel stärker unsere Traditionen pflegten als andere Kenianer. Mit unserer Kleidung, unseren Bräuchen und unserer Lebensart
wirkten wir auf sie hinterwäldlerisch. Da draußen herrschten andere Sitten. Dort schienen die Männer ihre Frauen auch mehr zu respektieren, hörte ich heraus. Für die Fahrer war Archer’s Post das Tor zum unzugänglichen Samburu-Land. Ab hier mussten sie vor Banden auf der Hut sein. Deswegen fuhren sie oft in Konvois, um sich zu schützen.
    Der Andrang auf mein Geschäft wurde immer größer und ich mauserte mich zu einer richtigen Geschäftsfrau. Mein Mann war stolz auf mich und erleichtert, dass ich die Familie weitestgehend allein versorgte. Anschreiben durften bei mir nur Frauen, vor allem die, die ihre Familien mit Mühe und Not durchbringen mussten. Mit ihnen machte ich auch gerne kleine Tauschgeschäfte. Ich besorgte ihnen Maismehl und Zucker und sie gaben mir dafür ihre Tierfelle, die sie draußen in den Manyattas der kleinen Dörfer gegerbt hatten.
    Bald hatte sich in der ganzen Region herumgesprochen, dass meine Preise fair waren und ich Frauen einen Kredit gab, wenn sie knapp bei Kasse waren. Da meine Geschäfte gut liefen, konnte ich denen unter die Arme greifen, die nicht mehr wussten, woher sie die nächste Mahlzeit nehmen sollten. Sie schütteten ihr Herz bei mir aus, erzählten mir von ihren Männern, die ihr Geld in den Kneipen von Archer’s Post für Alkohol verprassten. Manche Männer versetzten dafür sogar die Ziegenfelle, auf denen eigentlich die Kinder schlafen sollten. Wenn die Frauen sie zur Rede stellten, drohten sie ihnen Schläge an.
    Nach und nach wurde meine kleine Duka zum Treffpunkt für Frauen aus der gesamten Gegend rund um Archer’s Post. Zwischen den Fellen und bunten Ketten, die sich im Winde drehten, vertrauten sie mir auf Mehlsäcken hockend ihre Sorgen und Probleme an, erzählten mir vom Durchfall ihrer Kinder, deren Heiratsplänen oder freuten sich mit mir, wenn sie ihre ersten Enkelkinder bekamen. Dabei holten sie sich so manches Mal Rat. Es wurde viel gelacht, aber auch geweint.
Mein Schwiegervater zerriss sich das Maul über die vielen Frauen, die bei mir ein und aus gingen. Ich solle dies unterbinden, mich auf meine Arbeit konzentrieren und mich um meine eigene Familie kümmern statt um die Kinder der anderen, forderte er. Wenn eine Frau mit mir sprechen wollte und er in der Nähe war, ging ich mit ihr unter einem Vorwand zur nächsten Akazie, hockte mich mit ihr dort in den Schatten und erst dann redeten wir.
    Eines Tages saß ich wieder einmal mit einer Frau unter einer Akazie. Unruhig schaute sie sich immer wieder um, um sicherzugehen, dass kein anderer zuhörte. Sie nahm meine Hand und schaute mich ängstlich an. »Ich muss dir etwas anvertrauen, aber du musst schwören, mit keiner Menschenseele darüber zu reden.« Ich war gespannt und versicherte ihr absolutes Stillschweigen. Unter Tränen erzählte mir die junge Samburu-Frau ihre fürchterliche Geschichte. Eines Abends war sie im Dämmerlicht noch einmal ins Nachbardorf zu ihrer kranken Mutter

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