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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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über ihre Herden und den ausbleibenden Regen, während nach und nach die ersten Frauen zum Einkaufen eintrafen und sich ihrerseits zu munteren Gesprächsrunden zusammenfanden.
    Die aus Brettern zusammengezimmerten Verkaufsstände waren auf beiden Seiten der Staubstraße gebaut und den ganzen Tag über versammelten sich die Menschen vor den kleinen Kiosken. Es war ein ständiges Kommen und Gehen und wir wohnten mittendrin. Unser Holzhaus stand direkt an der Durchfahrtsstraße. Ich hatte einen Plan und funktionierte unsere Veranda langsam zur Duka um. Bald baumelten dort meine ersten Ziegenfelle gut sichtbar an Haken in der Sonne und zogen meine ersten Kunden an. Einige Felle hatte ich selbst gegerbt, andere hatten mir Frauen aus der Umgebung vorbeigebracht.
Ich verkaufte sie und behielt eine kleine Provision. Nach und nach konnte ich so etwas Geld zurücklegen. Von dem Ersparten kaufte ich Tee und Zucker, Unga-Maismehl, Seife und Kaugummis und legte sie in Holzregalen aus.
    Der vordere Teil unseres Hauses an der Hauptstraße war nun ein Laden mit einem kleinen Lager. Ich hatte schon immer den Wunsch gehabt, ein eigenes Geschäft zu führen, und seitdem mein Mann in Nanyuki war, wollte ich mein eigenes Geld verdienen und nicht immer darauf warten, dass er nach Hause kam und mir Haushaltsgeld gab. Ich wollte meine Familie selbst ernähren können und mir ein Stück Unabhängigkeit gegenüber meinen Schwiegereltern aufbauen. Als ich genug Geld hatte und mir ein Busticket nach Isiolo leisten konnte, kaufte ich mir eine Waage, mit der ich Mehl, Zucker und Gemüse abwiegen konnte. Auf dem Markt von Isiolo kaufte ich meine Waren so billig wie möglich und schaffte sie dann mit dem Bus über die Dreckpiste nach Archer’s Post. Manchmal brauchte ich dafür den ganzen Tag.
    Wenn meine Mutter zu Besuch war und auf meine vier Kinder aufpasste, lief ich mit Fatuma, meiner Nachbarin, einer Somalierin, die fünfundzwanzig Kilometer durch den Staub bis nach Isiolo – zu Fuß. Fatuma und ich brachen in der Früh auf, wenn es noch dunkel war, denn tagsüber war die Hitze unerträglich. Wenn wir über die Brücke am Ortseingang schritten, lag uns der Fluss mit seinen Palmen majestätisch zu Füßen und wir atmeten tief durch. Die kühle Luft legte sich wie ein feiner Schleier auf unsere Haut. Lautlos schritten wir in unsere Shukas gehüllt über die steinige Straße. Am liebsten liefen wir, wenn Vollmond war, weil man dann alles genau erkennen konnte. Das kalte Licht des Mondes leuchtete die Hütten und die endlose Halbwüste gespenstisch aus. Alles war totenstill. Bei Vollmond hielten selbst die Tiere inne und versteckten sich im Gebüsch. Nur vereinzelt heulten ein paar Hyänen in der Graslandschaft.

    In diesen Stunden wirkte alles so glasklar. Der Stress mit meiner Familie fiel von mir ab und ich genoss die herrliche Ruhe. Manchmal redeten wir stundenlang kein einziges Wort und ich sortierte meine Gedanken. Die Streitereien mit meinen Schwiegereltern nagten sehr an mir. Ich litt unter dem Gefühl, ständig kämpfen zu müssen, und mein eigener Mann schien mir unmerklich zu entgleiten. Unbeschwerte Momente gab es nur selten. Immer häufiger stritten auch wir uns. Und ich merkte, dass die ständigen Nörgeleien meiner Schwiegereltern Spuren hinterließen. Mein Mann hatte sich seit den Streitigkeiten um die Ziegen von mir distanziert. Er führte sein eigenes Leben. Er hatte sich zum Vorsitzenden des Samburu District County Council wählen lassen und war ständig unterwegs.
    Auf mich wirkten diese Gewaltmärsche durch die Nacht wie ein Befreiungsschlag. Endlich konnte ich mich für ein paar Stunden aus den Fängen meiner Schwiegereltern befreien. Ich wusste, dass meine Kinder in der Obhut meiner Mutter in den besten Händen waren, und mit jedem Schritt wurden Fatuma und ich Teil der Landschaft. Hier konnte ich neue Kraft tanken und fühlte mich am Ende energiegeladen, auch wenn der Weg anstrengend war. Wenn ich schlappmachte, brachte mich Fatuma zum Lachen. Sie war zwar älter als ich, aber unglaublich zäh. Eine richtige Nomadin, die kilometerweit laufen konnte, ohne dass ihr Herz pochte und sie müde wurde. Sie verstand mich ohne große Worte.
    Wir beide waren uns sehr ähnlich: zwei starrköpfige Frauen, geborene Führungspersönlichkeiten, die mit ihrem Selbstbewusstsein in ihrer Nomadenkultur aneckten. Als Somalierin verstand sie genau, warum ich manchmal so frustriert war. Ich hätte eine erfolgreiche Geschäftsfrau sein

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