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Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig

Titel: Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Birgit;Lolosoli Virnich
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gehen. Doch unser Streit war längst zur Familienfehde ausgeufert.
    Auf mein Drängen wurde der Ältestenrat aus Wamba eingeschaltet. Die alten Männer kannten mich seit meiner Kindheit. Bereitwillig stimmten sie zu, nach Archer’s Post zu kommen. Einige legten den langen Gewaltmarsch sogar zu Fuß zurück und waren zwei Tage unterwegs. »Erzähl uns alles ganz genau«, erklärten sie mit ruhiger Stimme.
    Unter Tränen erzählte ich nun, wie sich der Konflikt zwischen mir und meiner neuen Familie immer mehr zugespitzt hatte, obwohl ich doch eigentlich nur das Beste für die Familie wollte. Mein Argument war klar: Während mein Mann in Nanyuki war, wollte ich mich stellvertretend für ihn um die Tiere kümmern. »Keiner hier in der Familie Lolosoli traut mir
zu, mich um die Ziegenherde der Familie kümmern zu können, dabei kenne ich mich doch besser mit Ziegen aus als mein eigener Mann.« Die alten Herren aus Wamba schmunzelten. Sie wussten, dass ich die Wahrheit sprach. Keiner konnte mir etwas vormachen, wenn es um Ziegen und Kühe ging. Ich kannte ihre Markierungen, mit denen wir sie als unseren Besitz kennzeichneten, genau und wusste, wie ich mit den Tieren umgehen musste. Mein Mann hatte keine Ahnung von Tieren. Für ihn sahen sie alle gleich aus. Er konnte sie einfach nicht auseinanderhalten, weder anhand ihres Fells noch aufgrund ihrer Markierungen.
    Die Empfehlung des Ältestenrats aus Wamba war dementsprechend gütig. Sie bauten meinen Schwiegereltern eine goldene Brücke. In Abwesenheit meines Mannes könne ich doch die Tiere verwalten und auch verkaufen, da ich aufgrund meiner Herkunft gelernt hatte, Ziegen und Kühe zu hüten. »Gib ihr wenigstens einen Teil der Herde«, empfahlen sie. »Nur über meine Leiche«, schrie mein Schwiegervater. Niemals werde er mir die Kühe der Familie anvertrauen. »Dann überlass ihr doch wenigstens ein paar Ziegen«, lenkten die Alten ein. Alle hielten den Atem an und schauten auf meinen Schwiegervater. Nach langem Tauziehen gab er sich einen Ruck, willigte ein und vertraute mir achtundzwanzig Ziegen an. Vor seinen Augen sortierte ich die achtundzwanzig Tiere aus den Nachbarherden fein säuberlich heraus. Ich konnte sie alle auseinanderhalten und wusste genau, welche Tiere uns gehörten. Selbst die feinsten Unterschiede in den Markierungen erkannte ich.
    Mir war bewusst, welche Verantwortung ich übernommen hatte. Wie damals, als mir mein Vater meine ersten jungen Ziegen geschenkt hatte, nahm ich meine Aufgabe sehr ernst und kümmerte mich um meine Tiere. Obwohl das Wasser in den nächsten Jahren immer wieder knapp war und es lange Dürrezeiten gab, gelang mir das scheinbar Unmögliche: Meine Ziegen vermehrten sich in kürzester Zeit. Ich holte Francis Lekanta,
den Sohn meiner Schwester, aus Wamba, der die Ziegen hüten sollte, denn er verstand sein Handwerk besser als die Jungen hier. Seit dieser Zeit lebte er bei uns in der Familie.
    Binnen dreier Jahre hatten wir die kleine Herde auf zweihundert Tiere hochgepäppelt und wir lebten sehr gut davon. Mein Mann hätte sich eigentlich freuen können, dass wir nun eine stattliche Ziegenherde hatten, von der wir komfortabel leben konnten. Doch er äußerte sich nicht einmal dazu. Und auch mein Schwiegervater verlor kein Wort darüber. Eines Tages beobachtete ich, wie er die Tiere voller Missachtung insgeheim zählte. Anstatt sich zu freuen, schaute er griesgrämig drein. Beim Abendessen, für das ich Ziegenfleisch gegrillt hatte, schwieg er.
    Ich glaube, es wäre ihm nie in Sinne gekommen, sich bei den Alten von Wamba zu bedanken, deren Rat weise gewesen war. Ich aber ließ sie wissen, dass ich ihr Vertrauen würdig genutzt und ihnen keine Schande gemacht hatte. Bis heute schauen sie wohlwollend auf alles, was ich mache. Ich hatte bewiesen, dass ich der Herausforderung gewachsen war.

REBECCAS KLEINER LADEN
    Der Uwaso floss ruhig vor den Toren von Archer’s Post dahin und die Sonne ging gerade über dem glitzernden Wasser auf, als die ersten Hirten ihre Ziegenherden über unsere wacklige Brücke trieben. Der Wind fegte den Staub als kleine Knäuel vor sich her und die Ziegen trippelten eilig über die wacklige Stahlkonstruktion. Am anderen Ende stürzten sie sich mit Freudensprüngen vom Ufer hinunter ins Wasser, während die Hirten, die schon tagelang mit ihren Herden in der dornigen Halbwüste unterwegs gewesen waren, an den Dukas in Archer’s Post eine Pause einlegten. Dort palaverten sie mit den alten Herren aus dem Dorf

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