Mama Mutig - Virnich, B: Mama Mutig
beisammen. Mein Anwalt Julius gab sich zuversichtlich.
Samburu-Frauen lassen sich eigentlich nicht scheiden. Die meisten Frauen in Umoja hatten ihre Männer verlassen, ohne sich je formal scheiden zu lassen. Ich glaube, ich werde die erste geschiedene Samburu-Frau sein.
Doch bevor ich diesen Gedanken weiter nachgehen konnte, war unser überfüllter Geländewagen umlagert von früheren Nachbarn, die mich alle überschwänglich begrüßten. Einige der Frauen stiegen aus, andere sprangen in den Wagen und der Rest lief nebenher, als wir von der Hauptstraße auf den Sandweg in Richtung Umoja abbogen. Ganz friedlich zeichneten sich die Konturen unserer Manyatta im zarten rosa Abendlicht ab. Vor den Hütten tobten die Kinder in den letzten Sonnenstrahlen. »Mama Rebecca. Mama Mutig ist wieder da!«, schrien sie. Die Freude war groß und das Geschnatter ebenso. Ein paar Ziegen meckerten aufgeregt, als wollten sie sich beschweren, nicht auch begrüßt zu werden.
Bis tief in die Nacht saß ich mit meinen langjährigen Wegbegleiterinnen in unserem kleinen Lokal auf dem Campingplatz, direkt am Ufer des Uwaso in der herrlich warmen Brise. Staunend hörten sie zu, als ich ihnen von meiner abenteuerlichen Odyssee quer durch Nairobi und von unserer Reise in den Ostkongo erzählte. Nagusi war zutiefst gerührt, als ich die Begegnung mit den Kongolesinnen beschrieb, die aus Dankbarkeit für unser Mitgefühl geweint hatten. Erschüttert durch so viel menschliches Leid, wollten sie mehr wissen über diesen Krieg um Rohstoffe und die Massenvergewaltigungen der Frauen. »Verglichen mit diesen Frauen geht es uns doch gut«, erklärte Nagusi. »Wir sollten unserem Schöpfer danken, dass wir auf eigenen Füßen stehen.«
Am nächsten Morgen fuhren wir zu meinem Anwalt Julius in den Nachbarort Meru. Der sandige Boden der Halbwüste um Archer’s Post verwandelte sich auf dem Weg nach Meru unmerklich in rotbraune Muttererde. Die Menschen stapften in Anoraks und Gummistiefeln über ihre frisch gerodeten Felder. Ich würde alles dafür geben, in Umoja Obst und Gemüse anzupflanzen, doch nichts schien bislang zu funktionieren. Wir hatten es immer wieder probiert. Weder Zwiebeln noch Tomaten waren angegangen. Wie hatten sich die Menschen in Meru den Boden nur so urbar gemacht?, fragte ich mich. Überall pflanzten Frauen und Männer mit großen Holzhacken Kartoffeln an. Saftige Bananenstauden und herrliche Avocadobäume gediehen hier, während wir in Umoja noch nicht einmal unsere Akaziensetzlinge durchbekamen, obwohl die beiden Orte keine hundert Kilometer auseinanderliegen.
Es wurde Zeit, dass ich nach Umoja zurückkehrte. Die Frauen brauchten mich, um den sandigen Boden gründlich zu bearbeiten. Erst kürzlich hatten sie versucht, Tomaten und Sukoma, eine Art Spinatgewächs, anzupflanzen, doch nun lag das Feld brach, und das, obwohl die Frauen ständig gewässert hatten. In der Trockenheit war alles eingegangen. Ich wollte
außerdem Bäume pflanzen und beweisen, dass wir Samburus diesem mageren Boden etwas abtrotzen konnten.
»Wenn wir Hühner hätten und Gemüse anbauten, könnten wir die Touristen verpflegen, ohne ständig einkaufen zu müssen. Den Rest könnten wir sogar verkaufen«, sinnierte Lucy pragmatisch. Doch wir hatten keine Erfahrung mit Hühnern. Aber die Frau meines Anwaltes hatte uns versprochen, uns in die Kunst der Hühnerzucht einzuweisen. Eingekeilt auf einer mit rotem Samt bezogenen Holzbank zwischen ein paar Gestalten, die schon seit Stunden auf Julius warten, hörte ich zu, wie Lucy und Nanyimoi über ihre neue Geschäftsidee schwärmten. Sie wollten zehn Schilling pro Ei verlangen und die Hühner am liebsten so schnell wie möglich kaufen. Doch zuvor musste der Hühnerstall noch fertiggestellt werden.
Julius Mbaaba war nicht nur Anwalt, für viele seiner Klienten spielte er auch den Lebensberater. Zwar forderte ein Schild in seinem kleinen Wartezimmer seine Mandanten auf, sein Beratungshonorar von fünfhundert Schilling, also etwa fünf Euro, bar zu zahlen. Doch einige seiner Mandanten konnten sich selbst das nicht leisten und Julius erließ ihnen die Zahlung, wenn er merkte, dass ihre Familie nichts zu essen hätte, wenn sie ihm ihr ganzes Geld brächten. Er galt längst als ein Anwalt mit sozialem Gewissen, der sich gerne mit den Mächtigen in der Region anlegte.
In seinem ansonsten schmucklosen Wartezimmer hingen Cartoons des kenianischen Karikaturisten Gado. Während Gado Afrikas Machthaber durch den Kakao
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