MAMMON - Für Deine Sünden wirst Du büßen (German Edition)
dessen Sekretärin zur Protokollierung einer Sitzung in den Konferenzraum. Rasch kopierte er die Dokumente des Japaners, legte sie anschließend wieder zurück, und wenig später saß er am eigenen Schreibtisch. Sorgfältig durchforstete er die Unterlagen.
Selbst wenn nur ein Teil der daraus hervorgehenden Anschuldigungen der Wahrheit entsprach, müsste er als gewissenhafter Anwalt sein berufliches Verhältnis zu Braulio Ostrogón überdenken. Weil er kein Gewissen besaß, dachte er stattdessen über Möglichkeiten nach, aus den gerade gewonnen Informationen die höchstmögliche Summe abrechenbaren Mandantenhonorars zu generieren. Nun wurde ihm endgültig bewusst, wie gefährlich der undurchsichtige Spanier tatsächlich war.
Yasuhiro Atakamo saß immer noch im Büro, als die eMail von Kougler & Friends kam. Eine Rechnung über tausend Dollar für das zweistündige Gespräch. Und die Geheimhaltungsvereinbarung. Mehrmals las er die Zeilen.
Doch seine Zweifel blieben.
Mummtaz zeigte sich an diesem Morgen besonders mitteilsam.
„Spiegla … Fränds“, krähte der Papagei, obwohl Yasuhiro diese Namen nur einmal ausgesprochen hatte.
„Kluges Kerlchen“, sagte er.
„Käällchen“, wiederholte das Tier fröhlich.
Yasuhiro Atakamo machte Kopien von sämtlichen Braulio-Dokumenten, steckte sie in einen Umschlag und versiegelte ihn. Am Nachmittag würde er einen Wald-und-Wiesen-Anwalt aufsuchen und ihm einen einfachen Auftrag erteilen: Weiterleitung des Umschlags an das FBI im Fall seines Todes.
Gewöhnlich schloss Dr. Joseph Spiglar gegen 19:00 Uhr seine Akten. Oft ging er danach spazieren oder ins Kino, das entspannte ihn. Doch an diesem Tag verließ er das Büro des Mandanten etwas früher. Spiglar war müde, das aufgezwungene Verlagsmandat war noch uninteressanter, als er befürchtet hatte. Weil die Kanzlei auf dem Heimweg lag, entschloss er sich zu einem Zwischenstopp. So konnte er die Akte einpacken und zu Hause bearbeiten.
Seine Sekretärin erstatte ihm sofort Bericht über Dr. Kouglers Protokollauftrag.
„Wann war das?“, fragte er.
Die Frau überlegte. „Vielleicht eine Stunde nachdem Sie zu Ihrem Außentermin gefahren sind.“
Seltsam, dachte er. „Gut. Und nun machen Sie endlich Feierabend.“
Wortlos betrat Dr. Spiglar sein Büro und fand alles so vor, wie er es am Vormittag verlassen hatte. Doch als er den kleinen Stapel mit den Dokumenten des Japaners genauer betrachtete, verdüsterte sich sein Blick.
„Haben Sie etwas auf meinem Schreibtisch gesucht?“
Offenbar hatte er einen zu herrischen Ton angeschlagen, denn die sonst so resolute Frau antwortete schüchtern: „Nein, Herr Dr. Spiglar. Ich habe das Büro während Ihrer Abwesenheit nicht betreten.“
„Ach, war nur so ein Gedanke“, brummte ihr Chef.
Dr. Joseph Spiglar pflegte gewisse Eigenarten. Eine davon erlaubte es ihm, mit Gewissheit zu sagen, wo bestimmte Gegenstände sich befanden, wenn er die Wohnung oder das Büro verließ. So legte er Bücher oder Zeitschriften so ab, dass etwa eine Kante einen anderen Gegenstand gerade eben berührte. Und wenn jemand etwas anfasste, war es später ein Leichtes, festzustellen, dass sich etwas verschoben hatte.
Die Akten von Yasuhiro Atakamos bildeten einen quaderförmigen Papierstapelhaufen, dessen oberen rechten Winkel er vor seinem Aufbruch mit der Präzision des Routiniers zwischen Tintenfass und Löschpapier ausgerichtet hatte. Auf den ersten Blick war der Unterschied kaum zu sehen, doch sein geübtes Auge bemerkte den Fehler sofort.
Jemand hatte sich während seiner Abwesenheit an dieser unbedeutenden Akte zu schaffen gemacht. Wen der Inhalt interessieren könnte und warum, auf diese Fragen wusste der Rechtsanwalt keine Antworten.
Conan Plummers beschäftigte sich bereits den ganzen Tag damit, wie er die scharfen IT-Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen könnte, die das Objekt seines jüngsten Bespitzelungsauftrags von Kougler & Friends aufgebaut hatte. Doch diesmal kam er an seine Grenzen. „Verdammter Japse!“, schrie er. „Wie zum Teufel hast du das hingekriegt?“
Es führte kein Weg daran vorbei. Wieder einmal musste er Hilfe bei Subjekten aus der Unterwelt suchen.
Vier von fünf ihm bekannten Cracks, die prinzipiell dazu in der Lage gewesen wären, scheiterten im Lauf des Tages daran, die hintereinandergeschalteten Firewalls der Kanega Bank zu durchbrechen, um Zugriff auf Yasuhiro Atakamos Server zu bekommen. Der Letzte weigerte sich weiterzumachen, als er merkte, dass
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