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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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Oder nach Salzburg. Warst du schon mal in Salzburg?“
    Ich schüttelte den Kopf.
    „Fährst du nie weg?“
    „Früher bin ich mit Shane ab und zu auf Auswärtsspiele.“
    „Ich fahre gerne weg.“
    „Dann komm, wir nehmen die U-Bahn zum Bahnhof. Die U2 fährt direkt dorthin. Wir steigen in den nächsten Zug.“
    „Zug?“
    „Wir fahren nach Lindau.“
    „Ich steh nicht so auf Zugfahren“, sagte sie.
    „Aber …“
    „Die Züge sind schmutzig und haben immer Verspätung.“
    „Würdest du denn in einem geklauten Auto mitfahren?“
    Marion nahm einen Apfel, wischte ihn an ihrer Jacke sauber und biss hinein. „Vielleicht.“
    „Was für ein Auto willst du denn?“
    „Ein großes. Teures.“
    „Frisst zu viel Sprit.“
    „Siehst du den BMW da vorne? Den Van?“
    „Van?“
    „Den großen!“
    „Den Panzer?“
    „Ja, den Panzer.“
    „Den kann ich nicht knacken.“
    „Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Stadt und das Heim mich erdrücken. Dann bekomme ich kaum mehr Luft. Dann muss ich einfach weg. Für ein paar Tage in eine andere Gegend, um andere Menschen zu sehen. Nicht immer nur Rugby und Senf und Gugl und all diese Verrückten.“
    „Geht’s dir nicht gut, Marion?“
    „Heute nicht.“
    Marion aß ihren Apfel, ohne mich anzublicken. Ich stand da mit den beiden Kübeln in der Hand wie ein Bauer, der sich in der Stadt verlaufen hatte.
    Ich sah zu dem Van, ich wusste, ich würde so n Ding nicht klauen können. Außerdem war es Wahnsinn, so was zu tun, vor all den Leuten am helllichten Tag. Ich war nicht Shane. Da lachte Marion laut und sagte: „Du spinnst! Ich will doch nicht, dass du wegen mir ein Auto stiehlst!“
    „Nicht so nen Van. Ich kann den doch gar nicht fahren.“
    „Ich schon.“
    „Du?“
    „Mein Ex hatte ...“
    „Dein fuck Ex.“
    „Du sollst keine Autos knacken, Kai. Nicht für mich. Für niemanden!“
    „Wenn ich liebe, tu ich alles.“
    „Dann haben wir ja was gemeinsam.“
    Wir hatten uns all die Zeit nicht geküsst. Kein einziges Mal. Hatten uns nicht einmal berührt, als wären wir Fremde.
    „So eine wie dich finde ich nie wieder“, sagte ich.
    „Finden schon, aber kriegen nicht“, sagte Marion.
    „Ich krieg jede, die ich will.“
    „Und du willst mich?“
    „Nur dich.“
    Ich stellte die Eimer auf den Boden, nahm ihre Hand, der Kampfhund fing an zu bellen. Wir küssten uns, der Hund spielte verrückt, ich ging in die Knie, nahm einen Apfel und schleuderte ihn in seine Richtung, ohne aufzuhören zu küssen. Ohne aufzuhören zu lieben.
    Wieder spürte ich, dass das was Großes war. Dass das was Tragisches war. Ich war glücklich, hier, mit ihr, unbeschreiblich glücklich, aber ich wusste, das Glück war vergänglich, die Zeit mordete alles. Marion war der Weg in die Freiheit – oder der letzte Sargnagel. Es gab kein Dazwischen. Tod oder Freiheit. Nichts sonst bedeutete diese Liebe.
    Wir spazierten durch Giesing, ich mit meinen Eimern, sie mit ihrem Hintern, dem jeder hinterherglotzte. Wann habe ich das letzte Mal so viel gelacht, so viel gesungen? Ja, wir haben geblödelt, gelacht, haben uns an den Händen gefasst und laut gesungen, irgendwelche Kinderlieder von Biene Maja bis Michel aus Lönneberga, wir konnten sie alle noch auswendig, wir hatten sie nie verlernt. Sing dudeldei, sing dudeldei, der Michel war bekannt, sing dudeldei, sing dudeldei, bekannt im ganzen Land.
    Als wir mal Luft holten und uns auf eine Bank am Mariahilfplatz setzten, fragte ich: „Warum gibst du dich mit mir ab?“
    „Was soll die Frage?“
    „Schau dich an.“
    „Und?“
    „Schau mich an.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Du trägst die geilsten Klamotten und ich lauf rum wie n Proll.“
    Und dann schleppte mich Marion in so eine Boutique, die mir nie zuvor aufgefallen war, ein Nobelladen mitten in fucking Giesing, wir gingen rein, ich mit den beiden Eimern in der Hand, sie suchte mir was aus, meine Marion, irgendeinen Anzug, ich probierte ihn an und ich war ein anderer Mensch. Die Verkäuferin war begeistert, und auch Marion strahlte übers ganze Gesicht.
    „Ich wusste es doch“, sagte sie. „Du siehst heiß aus in einem Anzug.“
    Ich glotzte auf die Eimer am Boden und zählte die Äpfel, um nicht auf das Preisschild schauen zu müssen.
    „Das kann ich mir niemals leisten.“
    „Egal“, sagte Marion. „Ich wollte dich nur mal sehen.“
    Die Verkäuferin behielt ihr Lächeln, obwohl ihr klar war, dass ich das Ding niemals kaufen würde.
    Ich zog mich wieder um.

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