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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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packte mich am Arm, zog mich zur Tür, und wir stürzten hinaus, als die U-Bahn wenige Sekunden später am Kolumbusplatz hielt. In dem Wagen hämmerten die Gelben gegen die Fensterscheiben, einige folgten uns mit Schaum vorm Mund.
    Shane und ich rettete der Lift, wir sprangen hinein, ehe die Tür sich schließen konnte, und fuhren gemeinsam mit einem älteren Ehepaar hoch.
    Der Mann und die Frau glotzten uns an.
    Shane war gar nicht richtig bei sich. Er sprach kein Wort.Aus seiner Nase tropfte Blut. Dunkelrote Fäden hingen da, er wischte sie mit einer wütenden Handbewegung weg. Als die beiden Alten im Sperrengeschoß ausstiegen, klopfte Shane mir auf die Schultern, da sah ich, dass er seinen Mund bewegte, aber ich hörte nichts, ich hörte nur Pfeifen.
    „Ich wünschte, ich könnte kämpfen wie du“, sagte ich, aber ich hörte meine eigenen Worte nicht.
    Ich war taub.
    Oben angekommen, zerrte mich Shane über die Straße. Ich hatte Gleichgewichtsstörungen, meine Knie waren aus Butter, ich musste mich an ihm festhalten. Ich wusste, die Gelben würden uns verfolgen, die würden uns durch die ganze Stadt jagen, denen war das Spiel jetzt scheißegal, aber ich wusste auch, dass ich keine 100 Meter weit kommen würde.
    Die Welt war ein schreiendes Monster und saß in meinem Kopf.
    Mir war kotzübel.
    „Hau du ab“, sagte ich. „Hau ab, Shane. Du musst nicht den Märtyrer spielen.“
    Ich konnte Shanes Antwort nicht hören, aber er wich nicht von meiner Seite. Er blieb bei mir. Der verfluchte Arsch wollte mit mir untergehen. Oder er war taub wie ich.
    Und da stürmten sie schon die Treppe hoch, die Gelben, zehn, fünfzehn, und einer von den Affen zeigte sofort zu uns rüber, dieses Mal würden wir endgültig untergehen. Ich konnte nichts hören, ich hatte nur dieses Pfeifen und Rauschen in meinem Kopf und mir tränten die Augen.
    Es gab jetzt kein Entkommen mehr.
    Es war kein Mensch auf der Straße, hier war alles wie ausgestorben, es war Samstagmittag, alle waren am Futtern oder in der Stadt, wir waren allein. Fast die gesamte Bullenarmee war am Candid- und Wettersteinplatz versammelt, um dort die ankommenden Fans vor dem Stadion zu empfangen und Gäste- und Heimfans voneinander zu trennen.
    Die Gelben rollten an, Shane wollte mich wegzerren, aber ich konnte nicht mehr gehen. Das Pfeifen, das Rauschen, dieses Gebrüll in meinem Kopf lähmte mich.
    Ich kapitulierte. Setzte mich auf den Hosenboden. Zog das verdammte Eisen und richtete es auf die Kerle, die da angerannt kamen.
    Einer der Gelben, die es plötzlich nicht mehr so eilig hatten, rief etwas, aber ich verstand nichts.
    Shane antwortete, ich sah, wie er seinen Mund bewegte, aber seine Worte konnten das Pfeifen und Krachen in meinem Kopf nicht übertrumpfen. Dann steckte er sich seelenruhig eine Zigarette in den Mund und ließ die Kappe seines silbernen Feuerzeugs hochschnellen. Ich habe dieses Geräusch immer geliebt, aber auch das Feuerzeug blieb jetzt stumm.
    Das Wort ging hin und her. Die Typen standen mitten auf der Straße, auf dieser gottverdammt ausgestorbenen Straße, und sie bildeten langsam einen Halbkreis um uns. Sie kamen immer näher.
    Ich dachte mir für nen Moment – morgen um die Zeit, da denkst du zurück an diesen Augenblick, und du lachst darüber, du lachst mit Shane darüber. Es gibt eine Zeit nach dem Schmerz, der jetzt kommen wird. Eine Zeit nach den Schlägen und Tritten. Es gibt immer ein Danach.
    Und dann sah ich ein Bullenauto um die Ecke fahren, ein ganzer verdammter Mannschaftsbus, ich konnte viele Bullenköpfe hinter den Scheiben erkennen, und nie war ich glücklicher, Bullenköpfe zu sehen. Ich steckte mein Eisen weg und sprang auf, und sofort stürzten sich die Typen auf uns, aber ich hatte keine Angst mehr. Ich wehrte mich, so gut ich konnte, ich boxte, wie es mich Shane gelehrt hatte, und sie bekamen mich nicht auf den Boden, die Dreckschweine.
    Die Bullen sprangen aus dem Bus und gingen dazwischen.
    Die haben mich nicht auf den Boden gekriegt, die Gelben, ich schwör. Ich bin nicht vor diesen Bastarden gekniet, nicht vor diesen Bastarden gekrochen.
    Eine Stunde später lag ich im Krankenhaus in Harlaching und bekam irgendwelche Infusionen. Der Arzt meinte, er könne nicht ausschließen, dass ich einen Hörschaden für den Rest des Lebens haben werde, aber bereits in der Nacht war das Pfeifen und Brüllen in meinen Ohren verschwunden.
    Shane fuhr mich nach Hause, wir saßen schweigend in der Karre, die Lichter der Autos und

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