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Man Down

Man Down

Titel: Man Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Pilz
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Straßenlaternen zischten vorbei, ich fühlte mich unendlich müde und erschöpft.
    „Gut, dass du die Knarre gezogen hast“, sagte Shane.
    „Gut, dass die verdammten Penner den Bullen nix von der Waffe erzählt haben.“
    „Die Knarre hat uns die entscheidenden Sekunden gebracht. Außerdem hatte ich Zeit, ihre Mütter zu beleidigen.“
    „Wenn die Bullen nicht gewesen wären, Shane …“
    „Wenn, wenn, wenn … wenn zählt nicht. Wenn zählt nie.“
    „… dann würden wir die nächsten drei Monate Nahrung durch einen Schlauch bekommen.“
    Ich nahm sein silbernes Feuerzeug, das er in die Ablage gelegt hatte, und ließ die Kappe mehrmals hochschnellen. „Egal, was geschieht, ich stehe für immer in deiner Schuld, Shane. Du hast mich nicht allein gelassen. Das vergesse ich dir nie.“
    „Du hättest mich auch nicht allein gelassen.“
    „Ich wäre gerannt wie der Teufel.“
    „Wärst du nicht.“ Shane nahm mir das Feuerzeug weg und zündete sich eine Zigarette an, als wir an der Kreuzung beim Grünwalder Stadion vor einer roten Ampel hielten.
    „Wärst du nicht“, wiederholte er leise, als müsste er sich selbst davon überzeugen.
    ***
    Ich kam gerade vom Supermarkt, als Marion in meiner Straße auftauchte. Ich trug zwei blaue Plastikeimer, vollgefüllt mit Äpfeln, ich hatte zwölf Kilo gekauft, weil sie gerade im Angebot waren.
    „Wollte mal sehen, wo du wohnst“, sagte sie.
    Ich war völlig überrumpelt, ich hatte ihr nie meine Adresse gegeben, nur ungefähr beschrieben, wo ich wohnte – und jetzt war sie da. Ich wollte sie nicht in meine Wohnung lassen, auf keinen Fall. Aber ich konnte sie auch nicht stehen lassen.
    „Gehn wir was trinken.“
    „Du willst immer nur trinken. Trinken oder Bumsen.“
    „Ich zeig dir mein Stammlokal.“
    „Du hast ein Stammlokal?“
    „Nein. Aber ich habe meinen Hausschlüssel in der Wohnung liegen lassen.“
    „Dann musst du einen Schlüsseldienst anrufen!“
    „Mein Handy liegt auch drin.“
    „Dann nimm meines.“
    „Lass uns was trinken.“
    „Ich will aber deine Wohnung sehen.“
    „Wozu denn?“
    „Na, ich will wissen, wie du sie eingerichtet hast.“
    „Eingerichtet?“
    „Was du für Möbel hast …“
    „Möbel?“
    „… deine CD s, deine Bücher.“
    „Lass uns was trinken.“
    „Hast du was zu verbergen?“
    „Mein ganzes Leben.“
    Sie zupfte an meiner Jacke. „Mit der Bomberjacke siehst du aus wie ein Nazi.“
    „Ich hasse Nazis.“
    „Seit wann hast du so kurze Haare?“
    „Seit ich kein Geld mehr für den Friseur habe.“
    „Lass sie doch mal wachsen!“
    „Ich seh beschissen aus mit Haaren.“
    Wir gingen die Straße entlang, kamen an meinem Haus vorbei, aber ich lotste sie einfach weiter. Die Autos rauschten an uns vorbei, sie schienen uns anzubrüllen, alles hier war dreckig, grau und feindlich, es stank nach Hausbrand, Abgasen, Hundekot und Menschenpisse, und mitten in all dem Dreck und Lärm war Marion. So schön und sexy.
    „Ich habe jetzt zwei Wochen lang keine Vorlesungen“, sagte sie.
    „Das ist großartig“, sagte ich.
    „Ich werde nicht in München sein, Kai.“
    „Das ist scheiße.“
    „Ich muss nach Hause.“
    „Kannst du nicht bleiben?“
    „Mama vermisst mich.“
    „Kann ich mit?“
    „Na klar“, sagte sie und lachte.
    „Bleib wenigstens übers Wochenende noch da.“
    „Ich muss raus aus dem Heim. Ich ersticke in dem kleinen Zimmer.“
    „Bitte bleib.“
    „Lass uns gemeinsam wegfahren.“
    Ich nickte. „Okay.“
    „Hast du einen Führerschein?“
    „Wir nehmen den Zug.“
    „Du hast keinen Führerschein?“
    „Ich habe kein Auto.“
    „Shane hat ein Auto.“
    „Das leiht er mir niemals.“
    „Ich dachte, er sei dein Freund.“
    „Das Auto ist sein bester Freund. Da würde er seine Schwester verkaufen dafür.“
    „Der ist doch eh nie nüchtern.“
    „Er fährt auch nur selten damit. Und wenn, dann nur um zu protzen. Die Karre kostet n Vermögen.“
    „Ich weiß. Der Audi ist heiß.“
    „Das ist n Audi?“
    „Ich möchte eines Tages auch so einen.“
    „Sind für mich alles Blechkisten, die ich mir eh nie leisten werd können.“
    „Ein großes Auto hat schon was.“
    „Oh ja“, sagte ich. „Wenn man es anzündet, brennt es länger als ein kleines.“
    Wir standen plötzlich wieder vor dem Supermarkt, in dem ich eingekauft hatte. Ein Kampfhund saß vor dem Eingang und glotzte uns an finster an.
    „Wo würdest du denn gerne hinfahren?“, fragte ich.
    „An den Bodensee.

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