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Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern

Titel: Man kann sich auch wortlos aneinander gewöhnen das muss gar nicht lange dauern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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Katrina Goldbänder ins Haar geflochten. Sie hat sich einen Blick in den Spiegel erlaubt und sich auf einmal festlich erregt gefühlt. Von ihrem Platz aus schaut sie in die volle Aula und auf die flirrende Bühne.
    Mit den ersten Klängen verschiebt sich etwas. Die Schulbühne wird zum Theater. Die gebeugten Könige gehen am Stock, weil sie ermüdet von der Reise sind. Maria ist hochschwanger und stützt sich auf Josefs Stuhl. Kaiser Augustus schwingt seinen rot leuchtenden Mantel und blickt herrisch über sein Königreich. Die Hirten stöhnen, scharren und brummen vor Freude über das Kind in der Krippe. Die Musiker greifen in die Saiten, und Katrina schaut hinüber zu Uno, der auf seinem Hocker vibriert, sie nimmt den Rhythmus auf, ein metallischer Glanz springt in die Musik, Zugabe, brüllt das Publikum, Zu-ga-be-Zu-ga-be.
    Am nächsten Tag hat Katrina erhöhte Temperatur. Benommen sitzt sie beim Weihnachtsfrühstück. Kaum jemand spricht. Uno trommelt mit dem Eierlöffel auf die Tischplatte, bis ihm die Betreuerin einen müden Blick zuwirft, du kannst wohl nicht aufhören, was. Das werdet ihr nie vergessen, hat Kaiser Augustus ihnen nach der Aufführung zugerufen und die Faust in die Luft gereckt, als hätten sie einen Pokal gewonnen. Katrina geht in ihr Zimmer, sobald man sie lässt, zündet den Kerzenstummel an und holt ihren Schreibblock hervor. Liebe Kummerecke, schreibt sie. Woher soll ich wissen, wann der Augenblick gekommen ist.
    5. Lili und Dani

    Du wärest krank, sagt Lili wie jeden Morgen. Du hättest ein Bein gebrochen und müsstest ins Krankenhaus. Dani liegt blass und ernst auf dem Rücken und streckt das Bein steif in die Luft. Lili setzt sich das Stethoskop auf, hört Dani ab und nickt bedächtig. Das wird schon, sagt sie beruhigend, etwas Geduld müssen wir haben. Dani stemmt sich hoch, aber Lili drückt sie wieder zu Boden, was habe ich gesagt. Wie jeden Morgen holt sie eine Decke und ein Arsenal von Spritzen, hüllt Dani bis zur Nasenspitze ein und richtet die Instrumente für die Operation. Dani presst die Augen zusammen und faltet die Hände unter der Decke. Was machst du da, fragt Lili streng. Ich bete zu meinem Engel, sagt Dani. In Ordnung, sagt Lili.
    Seit Anna in der Gruppe arbeitet, spielen Lili und Dani das Gleiche. Die Betreuerin wirft gelegentlich einen Blick in den Operationssaal und nickt der Ärztin aufmunternd zu. Manchmal müssen sie Wasser oder Mullbinden bringen, wenn sich Danis Blutungen gar nicht stillen lassen. Ich weiß nicht, sagt Anna zur Betreuerin, ist das denn gut, immer dasselbe. Die Betreuerin beruhigt Anna, im Gegenteil, sagt sie, die Kinder brauchen das, aber als sie eines Morgens krank und Anna auf sich gestellt ist, kniet sich Anna neben die zugedeckte Dani und fragt, wollen wir denn nicht mal mit den Klötzen spielen. Dani öffnet die Augen nicht, schüttelt bloß stumm den Kopf. Oder vielleicht, sagt Anna fröhlich und krempelt sich die Ärmel hoch, mit den Holztieren. Wir könnten einen Bauernhof bauen. Du musst weggehen, sagt Lili und schiebt Anna zur Seite, Dani blutet, siehst du das denn nicht.
    Draußen flimmern die Wiesen in neuem Grün. Anna weiß, dass die Luft nach Erde und schwacher Sonne riecht, aber die Fenster müssen geschlossen bleiben, sie hat vergessen, warum, irgendjemand könnte sich unterkühlen. Sie schaut nach draußen und fühlt sich umgeben von Krankheit. Ich impfe dich mal, hört sie Lili nebenan zu Dani sagen, es piekst ein bisschen. Tauscht doch wenigstens mal, ruft Anna und geht zum Krankenlager, Dani kann ja auch mal die Ärztin sein, sie muss doch nicht immer da liegen und operiert werden, oder. Sie zieht Dani die Decke weg und nimmt Lili die Spritze aus der Hand. Was machst du, schreit Lili, gib die sofort wieder her. Die kriegt jetzt Dani, sagt Anna, und du kannst dich hinlegen, du bist krank. Lili sträubt sich, gar nicht bin ich krank, guck doch, und sie zeigt auf Danis Laufschienen, sie ist krank, sie kann nicht laufen. Und du, sagt Anna und klopft auf Lilis Schutzhelm, du bist auch nicht ganz gesund.
    Auf einmal merkt sie, dass sie Fehler macht, die ihr niemals passieren dürfen. Lili und Dani starren sie an. Sie wird rot und zieht sich zurück, spielt ruhig, was ihr wollt, murmelt sie und setzt sich mit heißem Gesicht in die Leseecke, wo Till an einem Bilderbuch aus Pappe nagt. Sie zieht ihm das Buch weg,

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