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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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vor einem Rückfall. Wer weiß, wenn ich mit 85 Jahren noch fit genug bin (und es Viktoria erlaubt), mache ich noch eine allerletzte, ultimative Rutsche. Dann lass ich’s noch mal richtig krachen. Wenn einer meiner Freunde noch lebt, vielleicht mit ihm zusammen. Ich sehe mich schon mit Til Schweiger in einem Stripladen. ’Ne Flasche Wodka auf’m Tisch, Havanna auf Lunge und ’ne Blondine auf’m Schoß.
    Auf Striptease allerdings konnte ich schon immer gut verzichten. Fand ich noch nie toll.
    Ich würde ja auch nicht irgendwo hinfahren, um mir einfach nur einen schönen Wagen anzuschauen. Wenn, dann möchte ich mich auch reinsetzen, übers Lenkrad und die Armaturen streicheln, bevor ich mit ihm dann über die Autobahn brettere.
    DER INNERE SCHWEINEHUND
    Wenn es ein Medikament gäbe, dass die Wirkung von Sport auf den Körper simulieren würde, wäre es wohl das Medikament des Jahrtausends.
    Weil Alkoholiker zu sein und in Kneipen herumzuhängen schnell so etwas wird wie ein Vollzeitjob – nicht nur wegen der Beschaffungs- und Versteck-Logistik –, brauchte ich nach meinem Neustart dringend einen neuen Zeitvertreib. Hatten mir meine Stammkneipen bislang automatisch den Tag gefüllt und Freundschaften wie gute Laune im Überfluss beschert, stand ich auf einmal vor einem riesigen Berg ungenutzter Freizeit. Den musste ich dringend ausfüllen, um vor Langeweile nicht schwermütig und rückfällig zu werden.
    Da mir Briefmarkensammeln, Häkeln oder Gartenarbeit wenig zusagten, beschloss ich, mir die Zeit mit Sport zu vertreiben.
    Es wird niemanden verwundern, dass ich mir in meiner damaligen Verfassung Leistungssport höchstens sitzend, also im Fernsehen zumutete. Allenfalls ging ich mit meinem Sohn mal ins Stadion. Ich korrigiere: Wir fuhren ins Stadion. Oder in eine Eishockey-Arena, oder wir setzten uns vor einen Boxring. Doch weil ich noch nie ein Freund von großen Menschenansammlungen war, habe ich Sport meistens vor der Glotze verfolgt. Wenn ich zum Zigarettenautomaten musste, nahm ich dafür lieber das Auto. Selbst wenn der Kasten an einer Wand ganz in meiner Nähe hing. Beweglich war vor allem mein Gaumen. Muskulös ausschließlich die Hand, in der ich die Karten hielt.
    Ich weiß nicht, wie viele Mindestbedingungen erfüllt sein müssen, damit der Tatbestand das Joggings gegeben ist. Zunächst mal besorgte ich mir gute Schuhe und Kleidung. Optisch also schon als Jogger zu erkennen, ging ich hinunter zum See. Dazu musste ich nur die Straßenseite wechseln, von meiner Terrasse aus gucke ich direkt auf den Starnberger See. Auf dem Sandweg angekommen, setzte ich mich in Bewegung. Meine Form war miserabel. Als junger Mensch habe ich mal eine Zeit lang viel Sport gemacht, da ich Stuntman werden wollte. Zumindest erinnerte ich mich theoretisch daran, fing also nicht ganz bei null an.
    Garantiert gab ich aber kein besonders stolzes Bild ab. Ich hob zwar die Füße die erforderlichen Millimeter von der Erdoberfläche und erreichte eine kurze Schwebephase, die das Laufen per Definition vom Gehen unterscheidet. Aber wäre ich ein Rennpferd gewesen, man hätte mir nach dieser Performance wohl den Gnadenschuss gegeben. Nach zwanzig Minuten war der Spaß auch schon vorbei. Schnaufend und hustend wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und humpelte in vollgeschwitzter Trainingskleidung zurück ins Haus. Am nächsten Tag hatte ich Muskelkater. Aber ich hatte mir vorgenommen zu laufen. Also lief ich.
    Ich habe mal gelesen, dass dieser Widerwille, der im Kopf entsteht, während man joggt, von einem Sauerstoffmangel im Hirn herrührt. Deshalb signalisiert der Körper: Sofort aufhören! Was du machst ist ein GROSSER FEHLER ! Umkehren, hinlegen, ausruhen!
    Da hilft nur Training. Denn dieses Gefühl wird durch das Training weniger quälend. Der Körper wird fitter und man lernt, das erste Unwohlsein schneller zu überwinden. Bei mir ging es sogar erstaunlich schnell. Und verbesserte sich noch mehr, nachdem ich mit dem Rauchen aufgehört hatte. Nach zwei Monaten lief ich eine Strecke von sieben Kilometern in einer halbwegs vernünftigen Zeit. Heute laufe ich an Trainingstagen an die zehn Kilometer. Das reicht mir voll und ganz. Ich will weder einen Marathon mitlaufen, noch halte ich das Laufen im Übermaß für unbedingt gesundheitsförderlich. Für mich ist es aber eine gute Methode, mich fit zu halten und an der frischen Luft zu bewegen. Außerdem kann man das fast immer und überall tun, also auch wenn man unterwegs ist und

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