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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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wie Avatar oder Pirates of the Caribbean: At World’s End ( Fluch der Karibik 3 ), die bislang als die teuersten Produktionen der Filmgeschichte gelten, locker an die 300 Millionen Dollar gekostet.
    Thomas Kretschmann, ein ausgesprochen netter und witziger Kollege, spielte die Hauptrolle in dieser Produktion. Wir waren die einzigen Deutschen im Team und haben uns größtenteils zu zweit die Zeit vertrieben. Thomas, der in Hollywood lebt und auch viel dort dreht, hat schon Erfahrung mit den Nazi-Rollen. So hat er unter anderem in Der Pianist (Originaltitel: S ' mierc ' miasta ) und Operation Walküre (Originaltitel: Valkyrie ) den Deutschen in Uniform gegeben. Und schon ganz am Anfang seiner Kinokarriere stand die Rolle des Leutnant Hans von Witzland in dem Film von Joseph Vilsmaier, der ebenfalls Stalingrad hieß.
    Unser Drehbuch war sehr gut. Vor dem Hintergrund der Kriegsereignisse wird eine berührende Liebesgeschichte erzählt. Ein kleiner russischer Vortrupp ist in ein Gebiet vorgedrungen, das noch von uns Deutschen besetzt gehalten wird. Sie verstecken sich in einem Haus, das von feindlichen Truppen umstellt ist, und dort entspinnt sich eine Liebesgeschichte zwischen einem deutschen Soldaten und einer ehemaligen Hausbewohnerin.
    Es gibt für das Drehbuch keine literarische Vorlage. Es beruht auf echten Archivdokumenten und Kriegstagebüchern. Außerdem hat sich Bondartschuk in Wolgograd – also dem ehemaligen Stalingrad – mit Überlebenden getroffen und sie zu ihrer Vergangenheit interviewt.
    Dankenswerterweise kommen selbst wir bösen Deutschen dabei wie halbwegs runde Charaktere rüber – wir sind nicht nur die hackenschlagenden Idioten mit Hakenkreuz auf der Schulter, die immer »Heil Hitler!« und »Erschießt sie alle!« brüllen und Sauerkraut futtern.
    Vielmehr spielen wir zwei Deutsche, die sich selbst ein wenig schwertun mit den Nazis, aber nun einmal von ihrem Vaterland in diesen grässlichen Krieg geschickt wurden und jetzt ihr Bestes geben, um ihr Leben und das ihrer Kameraden zu retten.
    Außer uns waren alle Darsteller Russen. Das heißt, auch die Rollen aller anderen Deutschen waren mit Russen besetzt. Beim Casting hatten diese Schauspieler anscheinend halbwegs glaubwürdig vorgespiegelt, dass sie die deutsche Sprache beherrschten. Dass sie dabei allerdings ein wenig gemogelt hatten, war niemandem weiter aufgefallen – erst Thomas und ich mussten feststellen, dass dieses Deutsch leider überhaupt nicht zu verstehen war. Wenn es denn überhaupt Deutsch war.
    Die Texte änderten wir ohnehin ein wenig, weil sie recht schlampig übersetzt worden waren. So gaben wir sie dann an die russischen Kollegen weiter. Einen besonders putzigen Kollegen hatten wir auf den Namen Reinhard Mey getauft, weil er ein bisschen so aussah wie der deutsche Barde und Interpret von »Über den Wolken« in jungen Jahren. Er hatte sogar die gleiche Nickelbrille. Allerdings war er im Gegensatz zum immer leicht rotbäckigen Mey kreidebleich. (Heute spricht man da ja von Computerbräune.) Ob er auch so gut Gitarre spielte wie sein deutsches Pendant ist nicht bekannt. Ich würde eher auf Ukulele tippen.
    Wir hatten ihm schon in der Mittagspause den generalüberholten Text gegeben, den er später vorsprechen sollte. Der Dreh war für sechs Uhr abends anberaumt. Das heißt, er hatte sechs Stunden, um in etwa den folgenden Satz zu lernen: »Herr Oberst, Herr Oberst, wir haben eine Schlange gefunden. Sehr wahrscheinlich liegt das an der Hitze durch die Bombeneinschläge – deshalb kommen die Tiere jetzt raus.« Drei Worte pro Stunde – so rechneten Thomas und ich – und der Text wäre gelernt. Für jemanden, der sich als deutscher Muttersprachler ausgegeben hatte, sollte das kein Problem sein. Das hätte selbst ein Chinese geschafft. Sollte man meinen.
    Ich war Oberleutnant der Truppe vor Ort, ein ziemlich hohes Tier, und ich saß zu Tisch. Mein Adjutant hatte mir soeben das Essen gebracht, die ganze Szenerie erinnerte an ein Feldlager. Ein Panzer, der durch die Mauer gebrochen war, stand mitten im Raum. Alles wirkte sehr martialisch. Und dann sollte also der russische Kollege mit der Reinhard-Mey-Anmutung zu uns kommen, um die Meldung mit der Schlange zu machen.
    Auf »Bitte!« tänzelte er herein und hielt angewidert einen etwas größeren Regenwurm in der Hand, den ihm der Requisiteur als Schlange verkauft hatte. Vielleicht war es sogar eine kleine Blindschleiche. Mit weit aufgerissenen Augen streckte er den Wurm von

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