Man lebt nur zweimal
geschossen: »Ein taubstummer, ewig betrunkener Barmann in einem Bordell in einer 700-teiligen Serie.«
Inzwischen habe ich sogar meinen ersten Urgroßvater gespielt. In der Kinokomödie Vatertage , die Ingo Rasper inszeniert hat. Immerhin war der Urgroßvater schwul und hat es mit seinem Lover auf Mykonos noch ordentlich krachen lassen.
Auf der anderen Seite geht mir der Jugendwahn auch ziemlich auf den Wecker. Wer ständig darauf hinweist, dass er sich noch so verdammt jung fühlt, verrät damit sehr viel über seine eigenen Ängste. Wenn jemand etwas behauptet wie: »Älter werden tue ich später«, bin ich skeptisch. Problem – würde man da spontan assoziieren. Auch der Spruch: »Man ist immer so alt, wie man sich fühlt«, schreit nach dem wenig erfolgreichen Versuch, die Angst vorm älter werden zu verdrängen.
Wenn ich gefragt werde, wie alt ich mich fühle, sage ich mein Alter. So alt fühle ich mich. Und zwar auf den Tag genau. Keinen Tag jünger. Wenn ich gefragt werde, ob ich Angst vor dem alt werden habe, antworte ich: »Ich hab höchstens Angst vor dem nicht alt werden.« Basta. Ich kann dieses ganze Gequatsche um das Alter nicht mehr hören. Günstigstenfalls wird man alt, so ist das. Nur wenn man Pech hat, stirbt man früher. Ich habe aufgehört, mir im Leben Gedanken über Dinge zu machen, an denen kein Weg vorbeiführt.
Wenn ich heute Hauptrollen spiele, sind das eher Politiker, Wirtschaftsbosse, Wissenschaftler oder Professoren. Mit achtzig wird die Auswahl sicher noch mal kleiner sein. Diese Dichte an Charakteren, die ich früher problemlos bedienen konnte, gibt es nicht mehr. Natürlich ist es traurig, wenn einige Rollen für immer wegfallen, nur weil man zu alt geworden ist. Ich werde nie mehr einen Tennisstar oder einen literarischen Wunderknaben spielen können.
IM JUGENDWAHN
Natürlich herrscht auch in meiner Branche ein erheblicher Schönheits- und Jugendwahn. Wenn es darum ginge, hätte ich vielleicht eher Philosoph, Professor, Archäologe, Dichter oder Bundespräsident werden sollen. Da kann man noch im hohen Alter Karriere machen. Models oder eben auch Schauspielern werden eher weniger und schlechtere Jobs angeboten, je älter sie werden. Noch schlimmer ist es bei Sportlern. Die sind mit über dreißig in den meisten Fällen schon weg vom Fenster.
Dass der Jugendwahn so zugenommen hat, beobachte ich in den Fernsehsendern allerdings schon deutlich länger. Ich würde das sogar auf den Aufstieg des Privatfernsehens zurückdatieren. Damals waren in den Redaktionen auf einmal nur noch ganz junge Menschen unterwegs. Wen man früher eher für den Praktikanten gehalten hätte, der war auf einmal Chefredakteur. Nur den jungen Leuten traute man offensichtlich noch zu, wirklich im Leben zu stehen. Wer die dreißig Jahre schon überschritten hatte, wirkte hoffnungslos hinter dem Mond, wenig innovativ, extrem uncool. So übertrumpften sich die Sender gegenseitig an Jungsein, natürlich zogen auch die Öffentlich-Rechtlichen alsbald nach. Aus allen Räumen und Winkeln kamen da irgendwelche Hipster um die Ecken gequollen, weiß der Herrgott, wo die alle herkamen und mit welch existenziellen Aufgaben man sie betraut hatte. Als Primärqualifikation schien zu reichen, dass sie bei jeder Gelegenheit betonten, sich nix gefallen zu lassen. Außerdem hatten sie ununterbrochen sexy Ideen. Wie man die dann umsetzte, war zweitrangig.
Das hat sicherlich auch mit dem Kreativitätswahn zu tun und damit, dass in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen heute Kreativität das unhinterfragte Nonplusultra ist. Irgendjemand muss zwar die normale Arbeit auch noch erledigen, aber wer was auf sich hält, ist kreativ.
Ich will gar nicht sagen, dass uns neue Ideen nicht guttäten. Gerade die deutsche Fernsehlandschaft könnte wohl nichts dringender gebrauchen. Aber manchmal ist das Rumreden der Kreativen eben auch nur ziemlich unnützes Gewäsch. Nur weil man junge Leute mit Hipster-Bärten einstellt, die sich Jobbezeichnungen mit coolen, englischen Titeln geben und ein hohes Gehalt einfordern, heißt das nicht automatisch, dass dabei auch etwas Sinnvolles herumkommt.
Andererseits hat es mich oft genervt, dass die Filmemacher mich früher immer in den gleichen Rollen besetzen wollten. In dem Film Männer habe ich ja Julius Armbrust gespielt, den erfolgreichen Besitzer einer Werbeagentur. Männer hatte gut sechs Millionen Zuschauer, war ein riesiger Erfolg und mit Sicherheit einer der wichtigsten Filme meiner jungen
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