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Man lebt nur zweimal

Man lebt nur zweimal

Titel: Man lebt nur zweimal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiner Lauterbach
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sich, als handelte es sich um ein ausgewachsenes Krokodil. Dabei spreizte er den kleinen Finger, ganz so wie der Münchner Modeschöpfer Rudolph Moshammer, wenn er sein Schoßhündchen Daisy geschimpft hätte, nachdem es sich im Matsch gesuhlt hat. Und dann sagte er in diesem stark russisch-pommerischen-undefinierbaren Dialekt: »Herrrr Obberst, Schlaahangeee!« Thomas und ich guckten uns an.
    »Wie – Schlaahange?«, fragte ich.
    »Schlaahangeeee!« wiederholte der russische Reinhard Mey in weinerlichem Ton. Offenbar war er nicht gewillt, mehr von dem schönen Text von sich zu geben, den Thomas und ich extra für ihn erdacht hatten. Ich sah ihn streng an.
    »Schlaahange!«
    Mehr kam nicht, es half nichts. Der junge Mann brachte vor lauter Aufregung und sprachlicher Überforderung kein Wort mehr heraus.
    Überhaupt war der ganze Auftritt nicht von übertriebener Männlichkeit geprägt. Von Haus aus eher zierlich, wäre er gut als ein in Cambridge ansässiger adliger Kadettenschüler mit starker Mutterbindung durchgegangen. Aber nicht als Frontsoldat, dem im russischen Schützengraben die Kugeln um die Ohren pfeifen.
    »Das wird so nix«, sagten Thomas und ich dem Regisseur.
    Was sollte ein Schauspieler später darauf synchronisieren? »Schlaahange«. Selbst Dieter Thomas Heck hätte da unseren Text nicht draufgekriegt. Daraufhin ließ der Regisseur Reinhard einfach bis zehn zählen. Auf Russisch. Da konnte der Synchronsprecher dann alles Mögliche drauflegen.
    »Schlaahange« hingegen wurde bei Thomas und mir zum Schlachtruf. Noch heute melden wir uns so am Telefon, wenn wir uns mal anrufen.
    Die Rolle in diesem Film habe ich übrigens Til Schweiger zu verdanken. Der Regisseur Fjodor Bondartschuk ist ein Freund von Til und hat ihn mal am Set von Tils Thriller Schutzengel besucht. Obwohl ich ja auch in Schutzengel mitspielte, war ich an diesem Tag nicht anwesend. Fjodor sagte Til, er suche den besten deutschen Schauspieler Ende vierzig für seinen Kriegsfilm. Til führte ihn in der nächsten Drehpause in seinen mobilen Schneideraum, den er bei Dreharbeiten immer dabei hat und zeigte ihm eine Szene, die wir ein paar Tage vorher abgedreht hatten. Til deutete auf mich und sagte: »Das ist er. Und du hast Glück. Er ist ein Freund von mir. Ich kann ihn gleich anrufen.« Ein paar Wochen später unterschrieb ich den Vertrag. Ich habe ja schon von der Freundschaft zwischen Til und mir gesprochen. Dass ich ihn sehr mag. Aber erwähnte ich dabei auch seinen vortrefflichen Geschmack? Und seine enorme Fähigkeit, das Alter von Menschen zu schätzen?
    VOM HELDENDURCHSCHNITTSALTER
    Das Angebot für einen Schauspieler ändert sich mit seinem Alter. Das ist ein organischer Prozess. Die Filme, in denen man die Hauptrolle übernehmen kann, werden weniger. Das liegt daran, dass die Leistungsträger, von denen die Filme in der Regel handeln, eher Leute sind, die im Saft ihres Lebens stehen. Und aus diesem Alter wächst man eben irgendwann raus, selbst wenn man noch so gesund und sportlich lebt.
    Ich sage immer: »Früher konnte ich mich noch erhobenen Hauptes schminken lassen.« Jetzt muss ich immer mehr den Kopf senken, damit sie oben an meine Platte dran kommen. Irgendwann werde ich vor den Maskenbildnern knien müssen.
    Haarteile können einen ein bisschen jünger erscheinen lassen. Aber richtig auf jung schminken, das ist schwierig. Da muss man dann mit visual effects arbeiten, also das Bildmaterial im Nachhinein bearbeiten, und das ist teuer.
    Ich würde grundsätzlich nicht sagen, dass ich mir wünschen würde, jünger zu sein. Aber langsam reicht es auch mit dem Älterwerden. Wenn es nach mir ginge, könnte das jetzt gerne so zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben Jahre einfach stehen bleiben.
    Aber wenn man mir sagen würde: Du kannst noch mal zwanzig sein? Ich weiß nicht, ob ich das annehmen würde. Den ganzen Mist noch einmal durchmachen?
    Für die Schauspielerei wäre so ein Alterungsstopp auf jeden Fall ganz günstig. Es macht einfach Spaß, Leute zu spielen, die etwas bewegen – in welcher Form auch immer. Noch sind meine Rollen einigermaßen interessant. Aber wenn man dann nur noch im Schaukelstuhl sitzende Urgroßväter spielt, wird es ein wenig traurig. Ich glaube auch nicht, dass ich mich so richtig darüber freuen kann, wenn ich eines Tages gar keinen Text mehr lernen muss. Dann bin ich sozusagen nur noch Gesichtsverleiher. Klar – wurde ich früher nach meiner Traumrolle gefragt, kam wie aus der Pistole

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