Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)
und schrieb und war plötzlich bei acht Seiten! Puh, viel zu lang. Also kürzte ich auf vier Seiten herunter. Mehr ging nicht, ohne die Geschichte zu ruinieren. Ich rief Herrn Eberhard an und sagte: »Jetzt san’s vier Seiten, aber ich kann nix dafür. Lests es halt durch und kürzt selber, wo Ihr meints!«
Eine halbe Stunde später rief er mich zurück und meinte nur: »Des lass’ ma so. Den Kollegen gefällt’s.«
Und am selben Tag fing ich an, weitere Erinnerungen an meine Kindheit, meine Familie, an frühere Dorfbewohner und kleine Anekdoten, an die ich mich noch erinnern konnte, aufzuschreiben. Eben Erinnerungen an meine furchtbar schöne, durch und durch bäuerlich geprägte Kindheit auf dem Land. Für mich. Und vielleicht noch für meine Familie. Eventuell Freunde. Und später für meine Nichten und Neffen, falls man dann noch liest. Aber vielleicht mietet man sich dann ja kleine, chinesische Austauschschüler, die einem das Buch vorlesen und als Gegenleistung bayerische Vokabeln gelehrt werden wie zum Beispiel: »Do waars oiwei a so.« Oder: »Do daad a mia fei aa stinga!« Der Unterschied zum Chinesischen ist gar nicht so gravierend, wenn man schnell spricht.
Ich weiß natürlich nicht, ob das Buch Ihnen als quasi völlig Unbeteiligtem gefallen wird. Ich weiß nur, es hat sich alles so zugetragen, auch wenn ich manchmal den ein oder anderen Namen verfremdet oder das eine oder andere Detail weggelassen oder entschärft habe, um niemanden zu brüskieren oder gar zu verletzen. Denn so ein persönliches Buch sollte doch den meisten, die sich darin wiederfinden – meinen Eltern, meinen Brüdern, unseren Nachbarn wie der Königseder Rosa und der Blumoser Liesi, den restlichen Tittenkofenern, Verwandten, Bekannten und allen darin Erwähnten – eine Freude machen, denn es ist weitgehend als Hommage und als Zeichen meiner Wertschätzung gedacht. Und auch als kleines Loblied an dörflichen und nachbarschaftlichen Zusammenhalt und an Werte wie Freundschaft, Aufrichtigkeit und Anstand. Hoffentlich geraten sie nicht ganz in Vergessenheit. Amen.
Heimat
Heimat ist für mich ein bissl Landschaft, viel Geruch und wenig Gred. Heimat ist natürlich noch viel, viel mehr, aber wenn ich das, was ich persönlich damit verbinde, in einem Satz zusammenfassen müsste, dann würden diese Schlagwörter übrig bleiben: ein bissl Landschaft, viel Geruch, beziehungsweise Gerüche, und wenig gesprochene Worte.
Die Landschaft ist natürlich schon ein ganz wesentlicher Teil des Heimatgefühls, aber wenn man vom Bauernhof stammt, dann schaut man sich nicht ständig die Landschaft an. Der Regisseur Franz Xaver Bogner hat einmal zu mir gesagt: »Der Bauer schaut sich die Landschaft um ihn herum nicht an, der Bauer ist die Landschaft.«
Wenn man in der Stadt aufgewachsen ist, dann ist es verständlich, dass man sich gern im Grünen aufhält, die Natur bewundert. Dass man sonntags an den Tegernsee fährt oder nach Garmisch, eine kleine Bergwanderung unternimmt und schließlich, irgendwo vor einer Hütte sitzend, auf die bayerischen Berge schaut und zwischen zwei Brocken saurem Presssack vor sich hin seufzt: »Mei, is’ scho schee, unser Bayern, gell.«
Aber als wir Kinder klein waren, ist mein Vater mit uns selten ins Grüne gefahren, weil: Wozu soll man sich in den wenigen Stunden zwischen Mittagessen und dem Zeitpunkt, wenn man wieder zur Stallarbeit daheim sein muss, ausgerechnet das anschauen, was man sechs Tage die Woche sowieso vor der Nase hat. Deshalb fuhr mein Vater mit uns regelmäßig in die Stadt oder vielmehr durch die Stadt. Nach der Nachspeise – sonntags gab es nämlich immer eine Ananas-Quark- oder eine Schwarzwälder-Kirsch-Creme – hat er uns drei Kinder und die Mama in seinen distelgrünen 190er Mercedes Einspritzer geschlichtet und uns kreuz und quer durch München geschaukelt, ohne auch nur einmal anzuhalten. Und wir Kinder starrten mit offenen Mündern auf die Sehenwürdigkeiten dieser großen, großen Stadt mit den vielen, vielen Menschen, die alle Fahrrad fuhren. Bei uns auf dem Land fuhren nur alte Weiber mit Kopftüchern und Kinder mit dem Radl. Die Erwachsenen waren entweder mit landwirtschaftlichen Gefährten oder mit dem Auto unterwegs. Auf ein Dorffest oder in den Biergarten, da fuhr man schon mal mit dem Radl hin, allein schon deshalb, weil man damals noch betrunken wieder heimfahren durfte, ohne gleich auf einen schweren geistigen Defekt untersucht und für den Rest seines Lebens schikaniert zu
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