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Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition)

Titel: Man muss das Kind im Dorf lassen: Meine furchtbar schöne Jugend auf dem Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Gruber
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Zustimmung heischend, in die Runde der schweigsamen Herren, die ihn nur anschauen. Kein Wort wird gesprochen. Unter weiterem Gezeter und Gefluche verlässt er schließlich das Lokal. Die Münchner Herren an dem Tisch schauen sich nur kopfschüttelnd an, und ein Herr mit einer sehr sonoren dunklen Stimme brummt unter seinem Schnauzbart hervor: »Der ander!«
    Sonst nichts. Nur: »Der ander!« In diesen beiden Worten steckt alle Verachtung und Geringschätzung, die man für so ein Gewächs aufbringen sollte. Nicht mehr und nicht weniger.
    Aber der Bayer braucht eben oft nicht viele Worte, um die Situation auf den Punkt zu bringen.
    Einmal, als ich weinend von unserem Erdinger Wald-und-Wiesen-Friseur heimkam, weil er mir eine astreine Ich-bin-das-bayerische-Double-von-Mireille-Matthieu-Frisur verpasst hatte, meinte mein Babba nur: »Wein’ ned, wachst ja wieder!« Ich muss nicht extra dazusagen, dass ich diesen Satz in meiner Jugend nicht nur einmal gehört habe.
    Wenn wir uns als Kinder wehgetan hatten, weil es uns mit dem Radl wieder mal gescheit zerlegt hatte oder weil wir von irgendeinem Baum, Heustock oder Schuppendach gefallen waren, klatschte unsere Mama immer Wund- und Heilsalbe und ein großes Pflaster auf die Stelle und meinte dazu: »Bis d’ heiratst, vergehts scho wieder!«
    Auch bei der Kindererziehung vermeidet der Bayer lange Vorträge und beschränkt sich auf kurze Kommandos:
    »Wenn man was gschenkt kriegt, sagt ma danke!«
    »In der Öffentlichkeit tut ma ned Nasenbohren!«
    »Wenn Erwachsene reden, dann san die Kinder staad (still)!«
    »In einem Geschäft darf ma nix anlangen. Das Eis wird draußen gegessen!«
    »Sag schön Grüß Gott!« Diesen Satz habe ich so oft gehört, dass mir das Grüßen in Fleisch und Blut überging und ich irgendwann anfing, prophylaktisch einfach jeden zu grüßen. Auch in München, wenn wir einmal im Jahr zum Viktualienmarkt fuhren. Irgendwann meinte eine fremde alte Dame mal zu mir, die offensichtlich merkte, dass ich vom Land war: »Mädi, mir sind in der Stadt, da braucht man nicht jeden zu grüßen.«
    Auch bei Autofahrten gab es klare Anweisungen: »Im Auto wird ned gegessen!«
    Und bei längeren Autofahrten hieß es immer: »Kinder, wenns ihr spucken müssts, dann sagts es!«
    Es gab eigentlich nie längere Autofahrten in meiner Kindheit – bis auf die seltenen Ausflüge nach München, und jedes Vierteljahr besuchte meine Mutter mit unserer Tante Anneliese ihre dritte Schwester, also unsere Tante Ottilie. Tante Ottil, wie wir sie nannten, lebte mit dem Onkel Ludwig in einem kleinen Dorf in der Nähe von Wasserburg, reine Fahrtzeit von uns aus circa eine Stunde und fünfzehn Minuten. Eine Weltreise also. Und es wurde dabei regelmäßig einem von uns Kindern schlecht. Also entweder einem meiner Brüder oder mir. Oder halt einem meiner zwei Cousins oder meiner Cousine. Die fuhren alle mit. Damals konnte man nämlich noch sechs Kinder auf die Rückbank pferchen, ohne dafür ins Gefängnis zu wandern.
    Nachdem es nachmittags schon Kaffee und reichlich Kuchen gegeben hatte, gab es noch eine kräftige Brotzeit, bevor wir uns auf den Heimweg machten. Und wer beim Budapester Fleischsalat am kräftigsten zugelangt hatte, der hatte ganz schlechte Karten, es heil bis nach Tittenkofen zu schaffen. Deshalb ermahnten uns entweder meine Mama oder die Tante Anneliese – je nachdem, wer fuhr – beim Losfahren: »Gell, Kinder, wenns speim müssts, sagts es.« Nur diesen einen Satz. Es wurden nicht etwa Vorkehrungen getroffen, um das drohende, unvermeidbare Unheil etwas abzufedern, denn man hätte ja zum Beispiel die Rücksitze gleich mit einem alten Leintuch abdecken oder uns Plastiktüten (»Speibsackerl«) in die Hand drücken können. Man hätte uns leere Rama-Schüsselchen als mögliche Auffangbehälter geben können, so wie es die Eltern meiner Freundin Gabi machten, wenn sie in ihrem kleinen Simca mit drei Kindern von Hallbergmoos nach Spanien aufbrachen. Aber Tante Anneliese und meine Mutter dachten wohl, dass man mit Gottvertrauen und genügend Rei-Schaum im Gepäck nicht schon vorher in unnötige Hysterie ausbrechen müsse. Eine klare Ansage müsste genügen: »Wenns speim müssts, dann sagts es!« Das tat derjenige, der dran war, auch immer brav. Exakt eine halbe Sekunde, bevor sich ein Strahl von Fleisch- und Eiersalat, gemischt mit Butterkekskuchen, in den Fond des Wagens und meist auch auf die anderen Kinder ergoss. Mein Cousin Thomas schaffte es einmal genau in der

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