Man nehme: dich und mich
So weiß ich immer, wo wir stehen.”
“Wow. Wo haben Sie Betriebswirtschaft studiert?”
“Habe ich nicht.”
Er hob die Augenbrauen. “Das haben Sie sich alles ganz allein ausgedacht?”
“Na ja, ich habe mir nur überlegt, was ich alles wissen muss, um Entscheidungen treffen zu können. Leider nützt das allein auch nichts, aber ich habe einfach ein besseres Gefühl, wenn ich die Lage überblicken kann.”
Nachdenklich schaute er sie an.
“Brauchen Sie noch was von hier?”, fragte sie.
Sein Lächeln war umwerfend.
“Nein, im Moment nicht.” Er deutete auf das Klemmbrett. “Das ist wirklich ein gutes System.”
Unbehaglich wich sie seinem Blick aus und versuchte sich einzureden, dass seine Hochachtung ihr nichts bedeutete. Doch während sie die Kartoffelsäcke durchzählte, musste sie doch lächeln.
“Hey, Frankie?”
Sie hob den Kopf.
“Was macht man denn hier so, wenn man abends mal weggehen will?”
Die Frage kam unerwartet. Suchte er einen Ort, wo er Frauen kennenlernen konnte? Überrascht bemerkte sie, dass ihr der Gedanke einen Stich versetzte – was lächerlich war, denn sie war ganz bestimmt sowieso nicht sein Typ.
Dann fiel ihr ein, dass Nate auf eine Antwort wartete.
“Hier im
White Caps
haben wir nur Glühwürmchen und Sternschnuppen zu bieten, aber im Ort gibt es eine Bar. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass Sie das
Stop, Drop and Roll
nicht gerade aufregend finden.”
“So heißt die Bar?”
“Ja, der Besitzer ist bei der Freiwilligen Feuerwehr.”
Er lächelte. “Ach, ich glaube, mir reicht das Angebot von
White Caps
.”
“Wirklich? Ich hätte gedacht, dass Sie aus New York interessantere Dinge gewöhnt sind.”
“Das kommt ganz drauf an, mit wem ich ausgehe. Manchmal mag ich es lieber ruhig.” Als er auf ihre Lippen schaute, verschwand sein Lächeln. “Manchmal sind Glühwürmchen und Sternschnuppen für zwei Menschen genau das Richtige.”
Damit drehte er sich um und ging hinaus.
Frankie blieb sprachlos zurück, hob verwirrt die Fingerspitzen an den Mund und fragte sich, ob es Küsse gab, bei denen sich die Lippen gar nicht berührten. So, wie Nate sie gerade angesehen hatte, lautete die Antwort Ja.
Liebe Güte, was sollte das werden? Und warum jetzt? Überwältigt legte Frankie die Stirn an eins der kühlen Stahlregale. Musste sie sich ausgerechnet jetzt von einem Mann beeindrucken lassen, nachdem sie jahrelang wie eine Nonne gelebt hatte? Und dazu noch von einem, der nur auf der Durchreise war, im Herbst wieder aus ihrem Leben verschwinden würde und für sie arbeitete?
Da machte sie sich Sorgen, dass Joy auf ihn hereinfiel – und was war mit ihr? Vielleicht sollte sie lieber achtgeben, dass er nicht
ihr
das Herz brach. Er würde in die Stadt zurückkehren, und sie blieb hier, das stand jetzt schon fest.
Genau, wie es damals mit David gelaufen war.
Auf einmal fröstelte sie, und sie richtete sich auf, um mit der Inventarliste fertig zu werden. Ihre Finger fühlten sich steif und kalt an. Kein angenehmes Gefühl, aber wenigstens hieß das, dass der Kompressor noch funktionierte.
Nate war froh, Lucille wohlbehalten wiederzusehen, als der Abschleppwagen sie in der Scheune hinter dem Haus abstellte. Sie würde sich wie zu Hause fühlen, denn der Raum wirkte wie ein Museum voller spinnwebenbehangener, zweifellos reparaturbedürftiger Gerätschaften – darunter ein Rasentraktor, eine Schneefräse und ein Laubsauger.
Hoffentlich wurde sie in dieser Gesellschaft nicht depressiv.
Nate bezahlte den Abschleppwagen und begann mit der Inspektion. Unter der Motorhaube konnte er nichts entdecken, also legte er sich unter den Wagen. Dort sah es besorgniserregend aus – Lucille hatte ihr ganzes Öl verloren, obwohl die Ölwanne erst ein Jahr alt war und alle Schläuche festsaßen. Womöglich ein Riss im Motorblock, was einen größeren Schaden bedeutete.
Nate robbte unter dem Wagen hervor und sah sich nach etwas um, womit er sich die Hände abwischen konnte. Als er nichts fand, nahm er sein T-Shirt, das sowieso gewaschen werden musste. Er holte gerade seine Reisetasche vom Rücksitz, als Frankie aus dem Haus kam.
Sie trug Shorts, und zum ersten Mal sah er ihre atemberaubenden Beine. Sie waren lang, schlank und sogar leicht gebräunt – warum nur versteckte sie sie immer unter diesen schrecklichen schwarzen Hosen?
Vielleicht, damit Kerle wie er sie in Ruhe ließen. Das würde auch die Brille erklären.
Nate blieb, wo er war, und beobachtete, wie sie
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