Man nehme: dich und mich
Nein zu sagen, wenn ich für jemanden wie Sie arbeiten kann.”
Überrascht blickte sie auf. “Wie mich?”
Wie in Zeitlupe ließ er den Blick von ihren Augen zu ihren Lippen wandern, sodass sie unwillkürlich den Atem anhielt. Wieso schaute er sie an, als ob er sie küssen wollte? Das musste ein Irrtum sein. Unbehaglich wandte sie den Kopf ab, als sie die Spannung nicht mehr aushielt.
“Hey, Herzchen”, sagte er leise.
Sie atmete tief durch und sah ihn wieder an. Eigentlich sollte sie sich diese Anrede verbitten, aber sie gefiel ihr sogar.
“Lächeln Sie doch mal für mich. Unterdrücken Sie es diesmal nicht.”
“Vielleicht später”, erwiderte sie errötend.
“Ich kann warten”, sagte er lächelnd. Und damit wandte er sich um und ging hinaus.
Frankie stützte den Kopf in die Hände. Sie war nun wirklich keine Frau, die auf Süßholzgeraspel hereinfiel. Doch obwohl sie genau wusste, dass er es nicht so meinte, wirkte sein Charme entwaffnend. Schon allein seine tiefe, ruhige Stimme ließ ihr Herz höher schlagen.
Das war gar nicht gut.
Sie hatte schon genug Probleme, auch ohne dass sie sich von ihrem neuen Koch den Kopf verdrehen ließ.
Als das Telefon klingelte, war sie für die Ablenkung dankbar – bis sich herausstellte, dass der Anrufer seine Reservierung für das kommende Wochenende absagen wollte. Nach dem Gespräch schaute sie nachdenklich aus dem Fenster. Der Rasen musste schon wieder gemäht werden. Mit dem altmodischen mechanischen Mäher würde das wieder Stunden dauern, doch der Rasentraktor hatte schon lange den Geist aufgegeben.
Der Blick auf ihren Schreibtisch war leider auch nicht erfreulicher. Dort lag das Schreiben ihrer Bank, in dem man sie informierte, dass sie mit ihren Hypothekenzahlungen sechs Monate im Rückstand war. Ihr Berater, Mike Roy, hatte handschriftlich darunter notiert:
Wir finden schon einen Weg, lassen Sie uns bald mal einen Termin ausmachen
.
Was für ein Glück, dass sie es mit Mike zu tun hatte, der immer wieder ein Auge zudrückte! Es lief immer nach dem gleichen Muster – bis zum Sommer geriet sie mit den Zahlungen in Rückstand, konnte die fehlende Summe aber nach der Feriensaison auf einen Schlag abzahlen. Bis zum letzten Jahr – da hatte sich das Minus nicht einmal nach der Hauptsaison ausgleichen lassen.
Vielleicht kam sie irgendwann doch nicht mehr drum herum, das Haus zu verkaufen. Bisher hatte sie diesen Gedanken immer weit von sich gewiesen, aber wie lange würde sie noch durchhalten?
Allein die Vorstellung trieb ihr die Tränen in die Augen. Ihr einziges Zuhause aufgeben? Das Familienerbe Fremden überlassen? Undenkbar!
Irgendwie musste es weitergehen. Das Einzige, was ihr von ihren Eltern noch blieb, war das
White Caps
. Und sie hatte nicht ein ganzes Leben lang geschuftet, um ihr Erbe jetzt doch noch zu verlieren.
Vielleicht lief diese Saison besser. Immerhin hatte sie jetzt Nate, einen ausgebildeten Spitzenkoch. Und sie konnte mal wieder einen Artikel über das Lincoln-Zimmer an die Zeitungen der Umgebung schicken. Am Wochenende vor dem Labor Day waren sie normalerweise ausgebucht, und außerdem ging es mit dem Tourismus insgesamt wieder aufwärts.
Nein, wenn sie nur durchhielt, würde alles wieder gut. Mit einem Blick auf die Uhr stand sie auf und griff nach ihrer Handtasche. Sie musste in die Stadt, um Geld aufs Konto einzuzahlen und ein paar Besorgungen zu erledigen. Danach war der Rasen dran.
Sie ging durch die Küche, wo Nate am Herd stand, und rief die Treppe hinauf: “Joy, ich fahre in die Stadt, brauchst du etwas?”
“Können Grand-Em und ich mitkommen?”
“Na gut, aber beeilt euch.”
Während sie wartete, schaute sie Nate zu. “Das riecht gut. Was wird das?”
“Brühe aus den Überresten des Huhns.”
Fasziniert beobachtete sie, wie er mit Überschallgeschwindigkeit eine Zwiebel würfelte. “Ach ja, ich habe dem Abschleppwagen gesagt, dass er Lucille herbringt, ist das okay? Ich muss erstmal rausfinden, was sie hat”, bemerkte er.
Autos kann er auch noch reparieren, dachte sie. Und er gibt ihnen Namen.
“Kein Problem. Stellen Sie sie in die Scheune hinterm Haus.”
“Danke.”
Kurz darauf erschien Joy mit Grand-Em, die wie immer in großer Robe auftrat. Diesmal war es ein fliederfarbenes Satinkleid, das mindestens fünfzig Jahre alt war, aber immer noch schön aussah. Irgendwie schaffte es Joy, die Kleider in Form zu halten. Sie verbrachte Stunden damit, sie von Hand auszubessern, und das schon seit
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