Man tut, was man kann (German Edition)
Herzen?
«Geht’s dir gut?»
Sie nickt. «Ja. Warum fragst du?»
«Nur so. Du siehst ein bisschen müde aus.»
«Viel zu tun im Moment.»
An dieser Stelle kann ich mir weitere Fragen sparen. Das war schon früher so. Entweder sie hat ein Problem, will aber nicht darüber reden, oder sie hat keines und ist tatsächlich einfach nur etwas abgespannt. Ich werde es nicht erfahren, auch das war schon früher so.
«Also», sagt sie, und das ist ihre typische Eröffnung, um ohne Umschweife zur Sache zu kommen, «du bist voll wie ’n Eimer in eine Verkehrskontrolle gefahren und hast dabei telefoniert, richtig?»
«Ich hätte es etwas vornehmer ausgedrückt, aberimPrinzip war es so», erwidere ich. «Allerdings hatte ich nur eins Komma vier Promille, voll wie ’n Eimer würde ich das noch nicht nennen.»
«Laut Gesetz bist du damit völlig fahruntüchtig, noch ein, zwei Schnäpse mehr, und du hättest dich nicht mal mehr ungestraft auf ein Fahrrad setzen dürfen.»
«Ja, ja», maule ich, «aber das ist ja alles völlig willkürlich festgelegt.»
«Genau so würde ich vor Gericht argumentieren, das mögen die sehr gerne», erwidert Lisa trocken. «Rechne jedenfalls mal mit sechs bis acht Monaten Führerscheinentzug, ein paar tausend Euro Strafe und sieben Punkten.»
«Nun mal langsam», begehre ich auf, «ich hab niemanden umgebracht, ich bin nur besoffen Auto gefahren.»
«Klar», erwidert Lisa locker, «hättest du auch noch jemanden umgebracht, müsstest du zusätzlich noch in den Knast.»
«Dann bestrafen die das aber ziemlich streng», denke ich laut.
Lisa nickt. «Ich kann da auch nicht viel machen, der Sachverhalt liegt ja auf der Hand.»
Mein Handy klingelt. Es ist Frau Hoffmann, die mir mitteilt, dass Dr. Görges mich sprechen möchte, falls möglich, gerne noch heute, weil ein anderer Termin geplatzt ist. Ob ich es einrichten kann, will sie wissen. Das passt mir jetzt eigentlich überhaupt nicht in den Kram, weil Kathrin gleich kommt und ich noch einkaufen muss. Außerdem hätte ich gerne mit Lisa länger geplaudert. Aber Görges scheint es wichtig zu sein, also sage ich zu.
Lisa hat alles mitbekommen, küsst mich auf die Wange und sagt: «Bis bald, vielleicht schaust du ja mal wieder zum Essen vorbei.»
«Gerne», erwidere ich und versuche, nicht an Tommis Rohkostsalat mit Zitronensaftdressing zu denken.
Knapp dreißig Minuten später stehe ich vor Görges’ Büro, wie immer ist die Tür offen. Er sitzt hinter seinem matt glänzenden Schreibtisch und blättert in einem regionalen Immobilienmagazin, unserem jüngsten Produkt.
«Was halten Sie davon?», fragt er, als ich eintrete, und wirft das Heft auf meine Seite des Schreibtisches.
«Ehrlich gesagt, ich würde es nicht kaufen.»
Görges zieht eine Augenbraue hoch. «Und warum nicht?»
«Ich finde, es sind weder gute Tipps noch gute Angebote drin. Außerdem wirkt die Aufmachung billig.»
Görges zieht das Blatt wieder zu sich. «Die Aufmachung IST billig, deswegen wirkt sie auch so. Leider teilen die Kunden Ihre Einschätzung und kaufen das Produkt einfach nicht.» Er wirft das Heft verärgert zur Seite.
«Wollten Sie mich deshalb sprechen?»
Er schüttelt den Kopf. «Ich wollte mit Ihnen über diesen jungen Mann aus Ihrer Abteilung reden. Norbert Engelkes.»
Ich nicke und frage mich, was denn jetzt wieder für eine Gewitterfront auf mich zurollt.
«Meine Tochter und dieser Herr Engelkes haben ein Verhältnis. Ich weiß nicht, ob es diesbezüglich bereits Gerüchte gibt, aber das ist mir auch egal.»
Tja, was soll ich dazu sagen? Am besten gar nichts.
«Jedenfalls scheint es diesem Herrn Engelkes ernst zu sein, denn meine Tochter hat mir gesagt, dass er sie heiraten will. Jetzt frage ich mich natürlich, ob er das aus Liebe tut oder weil sie eine gute Partie ist und seiner Karriere nützlich sein könnte.» Er sieht mich an, wartet offenbar, dass ich auch mal was sage.
«Und jetzt möchten Sie wissen, wie ich ihn einschätze.»
Görges nickt.
«Er ist okay, braucht noch etwas Erfahrung, aber ich denke, er wird seinen Weg machen.»
«Ehrgeizig?»
«Schon, aber nicht krankhaft.»
Görges überlegt, ich denke ebenfalls nach, und zwar, ob ich in die Offensive gehen soll. Ich komme zu dem Schluss, dass mir eigentlich nichts anderes übrigbleibt. «Ehrlich gesagt wusste ich von dem Verhältnis», sage ich.
Görges sieht mich durchdringend an, zieht erneut eine Augenbraue hoch.
«Engelkes hat sich mir anvertraut und mich um Rat
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