Man tut, was man kann (German Edition)
GESPRÄCH BLEIBT BITTE UNTER UNS
Ich habe kürzlich einem Studentenmagazin ein Interview gegeben. Ich hatte das schon fast vergessen, aber Frau Hoffmann hat heute ein Belegexemplar auf meinem Schreibtisch deponiert. Selbstverständlich ist das Heft an der betreffenden Stelle aufgeschlagen, und Frau Hoffmann hat mein Interview farbig markiert. Vermutlich befürchtet sie, dass ich weder mein Foto erkenne noch meinen Namen mit mir in Verbindung bringe.
Unterhalb des Fotos, welches mein einigermaßen freundlich dreinschauendes Allerweltsgesicht zeigt, ist zu lesen: «Dr. Paul Schuberth, Personalvorstand der Beuten Medien GmbH». Daneben wurde, wohl zur Einstimmung auf das Interview, ein Auszug aus einem Vortrag abgedruckt, den ich vor ein paar Monaten bei einem Zeitungskongress gehalten habe: «… Ein Personalchef muss Menschen nicht nur danach beurteilen, ob sie für eine Position geeignet sind, er muss auch erkennen, ob die anstehenden Aufgaben einen Menschen glücklich machen können. Ein perfekt ausgebildeter Mitarbeiter kann für eine Position somit weniger geeignet sein als jemand, der nicht so hoch qualifiziert ist, seine Aufgaben jedoch glücklich erledigen wird. Eine gute Personalentwicklung sollte sich deshalb an den Bedürfnissen des Individuums orientieren. Ein Personalchef darf nie diesen Respekt vor den Menschen verlieren …»
Ich lege das Magazin zur Seite und nippe an meinem Tee.
Ich erinnere mich, dass ich den Respekt vor den Menschen vor ungefähr sechs Jahren verloren habe. Ein weinender Familienvater versicherte mir, falls er die Stelle als Buchhalter in unserem Unternehmen bekäme, würde ich allabendlich in die Gebete seiner fünf Kinder eingeschlossen. Knapp zwei Monate später verschwand der Mann mit einem hohen Geldbetrag und einem Firmen-Pkw auf Nimmerwiedersehen. Er war weder verheiratet, noch hatte er Kinder. Buchhalterische Kenntnisse hatte er schon gar nicht. Seine kompletten Unterlagen inklusive aller behördlichen Papiere waren schlicht gefälscht.
Was mich an dem Vorfall ärgerte, war nicht so sehr die Tatsache, dass er mich um Haaresbreite den Job gekostet hätte, sondern der Umstand, dass es sich bei dem Mann um meinen vor fünfzehn Jahren verschwundenen Bruder handelte, der behauptete, er hätte in Kanada Pech gehabt und würde sich jetzt in Deutschland ein neues Leben aufbauen, um baldmöglichst seine Familie nachzuholen.
Immer wenn ich einen schwachen Moment habe und noch einmal an das Gute im Menschen zu glauben drohe, krame ich meine Kontoauszüge hervor und führe mir vor Augen, wie viel Geld ich besäße, wenn ich nicht versucht hätte, eine inexistente kanadische Familie nach Deutschland zu holen, indem ich meinem Bruder das nötige Startkapital lieh. Glücklicherweise sind solche schwachen Momente selten, gewöhnlich bin ich davon überzeugt, dass der Mensch gemein, hinterlistig und bösartig ist.
Schon den ganzen Morgen versuche ich, Engelkes zu verschachern, allerdings momentan noch ohne Erfolg.
Hanno Theis, ein Jungmanager aus der Werbebranche, der in Vorstellungsgesprächen so widerliche Sachen sagt wie «Überraschen Sie mich», ist zum Senior Vice Irgendwas aufgestiegen und kümmert sich nicht mehr um die Einstellung von Mitarbeitern, sondern nur noch um die Motivation des «vorhandenen Humankapitals». Ein sagenhaft blöder Wichser.
Angelika Kamm, Personalvorstand einer global operierenden Bank, würde mir sehr gerne helfen, steht aber leider gerade vor einer großen Entlassungswelle, weil die Quartalsgewinne entgegen allen Erwartungen nicht im zweistelligen Milliardenbereich gewachsen sind.
Sabine Peschke, Personalchefin einer Gastronomiekette, nimmt mir immer noch übel, dass ich ihre Einladung zu einem romantischen Wochenende ausgeschlagen habe. Sie deutet an, falls ich mich revanchiere, könnten wir über die Sache reden. Eigentlich hätte ich nichts gegen eine Affäre mit Sabine einzuwenden, aber ich habe gehört, sie steht auf Domina-Spiele. Damit kann ich nun leider gar nichts anfangen, außerdem kriege ich schon so genug Kloppe.
Gerade habe ich Hans Sennen in der Leitung, Personalvorstand einer Versicherung und schon sehr lange im Geschäft. Engelkes würde perfekt in die Human Resources passen, weil menschelnde Themen bei Versicherungen immer hoch im Kurs stehen. Umweltschutz, Altersvorsorge, Familie. Da könnte Engelkes sich mit seinen Ideen so richtig austoben.
Leider ist Sennen im Laufe seiner Karriere zuerst vorsichtig, dann
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