Man tut, was man kann (German Edition)
übervorsichtig und dann ängstlich geworden. Inzwischen scheint er sich sogar einen Vorstandsbeschluss zu holen, wenn er sich mal am Hintern kratzen will. Jedenfalls lässt Sennen nichts unversucht, um die Übernahme von Engelkes als den gefährlichsten Plan der gesamten Menschheitsgeschichte darzustellen. Ich habe trotzdem keine Lust, aufzustecken, Sennen schuldet mir noch was, und das weiß er.
«Hans, sag mir einfach: ja oder nein?»
«Wie alt, sagst du, war er?»
«Mitte zwanzig», wiederhole ich zum wahrscheinlich vierten Mal.
«Und er ist nochmal … wie lange bei euch?»
«Knapp zwei Jahre.» Auch das habe ich bereits mehrfach erwähnt.
Sennen überlegt. «Welche Ausbildung, sagst du, hat er nochmal?»
Jetzt wird es mir zu bunt. «Hör mal zu, Hans. Die kleine Koreanerin, die du loswerden wolltest, bringt es als Tippse in unserem Callcenter auf ungefähr neun Buchstaben pro Minute. Ich hab sie trotzdem übernommen, und zwar um deine Ehe zu retten. Das war ein netter Zug von mir. Jetzt kannst du dich revanchieren. Also: ja oder nein?»
Sennen zögert. Ich bete, dass er zusagt, denn langsam gehen mir die Optionen aus. Schwieriger Markt, momentan.
«Ich schau ihn mir einfach mal an, okay?», sagt Sennen zögerlich.
Jetzt bin ich echt sauer. Andauernd helfe ich irgendwelchen Leuten, und wenn ich mal Hilfe brauche, dann stellen sich alle taub. «Nein, Hans! Du schaust ihn dir nicht einfach mal an, sondern du gibst ihm diesen verdammten Job. Sonst sage ich Hong Li, sie soll mal bei deiner Frau vorbeischauen und ihr vormachen, wie toll Koreanerinnen unterm Schreibtisch knien können.»
Ich knalle den Hörer auf. Krieg ich hier vielleicht mal ’n Tee?
Frau Hoffmann erscheint. «Herr Engelkes wäre dann da.»
«Gleich», sage ich und streiche mir etwas unwirsch durchs Haar.
«Tee?», fragt sie.
Ich nicke, Frau Hoffmann verlässt das Büro.
Mein Telefon klingelt. Es ist nochmal Sennen. «Also gut. Einverstanden. Ich nehm diese Flachpfeife. Und danach sind wir quitt. Okay?»
«Okay.»
«Für alle Zeiten», sagt Sennen nachdrücklich.
«Okay.»
Frau Hoffmann erscheint mit dem Tee, stellt ihn ab.
«Sie können jetzt Herrn Engelkes reinschicken.»
Das war knapp.
Das Gespräch mit Engelkes habe ich mir schwieriger vorgestellt. Er hört sich an, was ich zu sagen habe, denkt kurz nach, nickt dann und erwidert: «Ja, vielleicht ist das die beste Lösung. Dann werden endlich alle einsehen, dass es mir nur um Martina und nicht um meine Karriere geht.»
Ich nicke väterlich. «Damit wir uns nicht falsch verstehen, Herr Engelkes. Ich hoffe sehr, dass Sie bald wieder in unser Unternehmen zurückkehren, denke aber, dass Sie zur Lösung Ihrer Probleme diesen – nennen wir es mal – kleinen Umweg machen sollten.»
Wobei dieser kleine Umweg auch eine Reise nach Nirgendwo sein könnte, aber das haben Sie sich dann selbst zuzuschreiben, Sie hätten ja auch die Hose anbehalten können, lieber Herr Engelkes.
«Gut», sagt Engelkes nachdenklich. «Da ist nur ein kleines Problem, der Markt ist gerade etwas schwierig …»
Ich weiß. Habe ich eben auch festgestellt.
«… und ich wüsste nicht, wo ich mich im Moment bewerben sollte.»
Keine Sorge, Herr Engelkes, ich hab da schon was vorbereitet.
«Ich helfe Ihnen», sage ich, «ich rufe ein paar Kollegen an, und heute Abend, spätestens morgen früh, haben wir ein Angebot für Sie auf dem Tisch.»
Er sieht mich an, ebenso erstaunt wie erfreut. «Wirklich? Das würden Sie für mich tun?»
«Aber ja. Sie gehen jetzt wieder in Ihr Büro und schreiben Ihre Kündigung, und ich hänge mich ans Telefon.»
Ich hänge mich tatsächlich ans Telefon, aber nicht in Sachen Engelkes, sondern um einen Termin mit meiner Exfrau zu machen. Lisa ist Anwältin und muss mir helfen, den Führerschein zurückzukriegen. Schamski kann sie gleich mitvertreten. Lisa und ich verabreden uns für den frühen Abend auf einen Spaziergang. Ich möchte eigentlich die Gelegenheit nutzen, um Fred auszuführen, aber der ist immer noch nicht auf dem Damm und hat keine Lust. Also gehen Lisa und ich allein in den Park.
Sie sieht gut aus. Ein bisschen müde vielleicht, aber gut. Sie trägt einen braunen Hosenanzug, ihr dunkelblondes Haar ist hochgesteckt. Ein paar Strähnen haben sich im Laufe des Tages gelöst und umspielen die feinen Fältchen um ihre Augen. Ich frage mich bei genauerem Hinsehen, ob sie vielleicht doch nicht nur abgespannt ist? Hat sie womöglich etwas auf dem
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